Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
entsetzlich sein, wie ein Mensch aussah, wenn Caesar ihn zu packen bekam. Da würde der beste Chirurg nicht mehr helfen können.
»Will Durchlaucht Seiner Majestät, dem König von Bayern, ein zugerittenes Kalb vorführen?« fragte Leo krampfhaft spöttisch.
So sieht also ein Mörder aus, dachte er und spürte, wie sich seine Kehle zusammenschnürte. Groß, gesund, mit einem offenen Gesicht und blauen Augen. Man sollte es nicht glauben! Leo blieb stehen, Caesar an der Kette vor sich. Der Dobermann fletschte Pittorski an und zog an der stählernen Fessel.
»Ich habe Sie hier erwartet!« sagte Pittorski höflich. »Ich wußte, daß Sie heute die Mästerei besuchen. – Ziehen Sie Ihren Hund zurück.«
»Angst? Na so was!« Kochlowsky kniff die Augen zusammen. »Hilflose schwache Mädchen kann er blau schlagen, aber vor einem Hund hat er Angst!«
»Ich habe um Ihren Hund Angst«, erwiderte Pittorski ruhig. »Er könnte für sein ganzes Leben versaut sein, wenn ich ihn anfasse.«
»Den anfassen?« Kochlowsky lachte rauh. »Du Maulheld! Wo ist Katja?«
»Das geht Sie nichts an!«
»Vielleicht aber die Polizei …«
»Das wäre zu überlegen.« Pittorski grinste voller Hohn. »Es gibt Zeugen, die aussagen, daß der Herr Verwalter der letzte war, der mit ihr gesehen wurde. Er kam aus der Futterkammer, und kurz darauf rannte Katja, als jagten ihr Furien nach, aus dem Hühnerhof. Seitdem wurde sie nicht mehr gesehen. Sie müßten eine Erklärung abgeben, Herr Verwalter …«
»Du Dreckgeburt!« sagte Kochlowsky dumpf.
»Mich können Sie nicht beleidigen. Und man kann mir auch nichts nachweisen.«
»Du hast sie also umgebracht!« keuchte Kochlowsky atemlos. »Du hast sie wirklich …«
»Sie werden keine Gelegenheit mehr haben, sie anzufassen!«
»Und warum lauerst du mir hier auf?« Kochlowsky trat einen Schritt vor. Caesar zerrte zähnefletschend an seiner Kette – er war nur noch einen Meter von Pittorski entfernt.
»Machen Sie Ihren Hund nicht unglücklich.« Pittorski blickte ohne Angst auf die hochgezogenen Lefzen des Dobermanns. Die langen, spitzen Fangzähne lagen gefährlich bloß. »Ich wollte nur mit Ihnen sprechen, Herr Verwalter.«
»Aber ich nicht mit dir!«
»Sie werden mich anhören müssen.«
»Müssen?« brüllte Leo los. »Ich muß? Ein Stiefelknecht will einem Stiefel befehlen?«
»Sie können sich nicht ewig verkriechen, Herr Verwalter! Ihre Krankheit – alle mögen daran glauben, ich nicht. Sie sind ein Feigling, ein elender Feigling mit einem großen Maul, solange man Ihnen nicht draufschlägt! Sie können nicht ewig krank sein, und ich habe Zeit, Herr Verwalter. Viel Zeit! Einmal bekomme ich Sie, dann, wenn Sie gar nicht mehr daran denken. Wenn Sie glauben, alles sei längst vergessen! Irrtum! Ein Jan Pittorski vergißt nichts. Nie! Ich bin Pole, ich habe meinen Stolz, und den haben Sie in den Dreck getreten. Kann man das vergessen? Sie werden mit der Angst leben müssen: Jede Stunde kann Jan Pittorski kommen! – Und ich werde kommen, ohne Anmeldung …« Pittorski lächelte breit. »Das wollte ich Ihnen heute nur sagen, Herr Verwalter. Krankspielen hilft Ihnen gar nichts …«
Kochlowsky hörte sich die Drohung mit starrem Gesicht an. Laß den Hund los, dachte er einen Augenblick lang. Dann ist alles erledigt. Ich werde sagen: Caesar hat sich losgerissen, mit einem unvorhergesehenen Ruck. Sehen Sie sich das Tier an. Wer will das festhalten, wenn es wütend ist? Und Pittorski hat den Hund gereizt!
Einen Zeugen dafür gibt es nicht. Wir sind allein. Nur ein Biß genügt, ein wenig Blut … Dann wird Caesar zur Bestie und zerreißt diesen Pittorski. Er wird ihm sofort die Kehle durchbeißen.
»Nur zu!« sagte Leo heiser. »Auf einen Mord mehr oder weniger kommt es dir ja nicht an!«
»Sie töten? O nein, Herr Verwalter.« Pittorskis Augen leuchteten in einem seltsamen Glanz. »Dazu sind Sie mir zu wertvoll! Was hätte ich von einem Toten? Sie müssen leben, damit ich immer meine Freude an Ihnen habe …«
Leo Kochlowsky war wie gelähmt. Die Ungeheuerlichkeit dieser Drohung nahm ihm den Atem. Er wußte, daß Pittorski so etwas nicht einfach dahinsprach, sondern daß hinter seinen Worten ein tödlicher, zu allem entschlossener Haß stand.
»Du wirst dir die Finger verbrennen!« sagte Leo tonlos. »Das scheinst du vergessen zu haben: Einen Kochlowsky faßt man nicht an …«
Kaum hatte er das ausgesprochen, stürzte er zu Boden. Die Beine wurden ihm weggerissen, krachend fiel er
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