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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hinter ihn.
    »Der Kiefer ist wieder drin!« sagte Pittorski. »Geben Sie Caesar vorsichtshalber heute abend kein Fleisch, er könnte Schmerzen beim Kauen haben. Kochen Sie ihm ein Süppchen.«
    Kochlowsky antwortete nicht. Er wandte sich ab, gab Caesar einen Tritt, sagte dumpf: »Komm, du dämliches Aas!« und stampfte zu seinem Pferd zurück. Auch Pittorski stieg auf und ritt davon.
    Aber er schlug nicht die Richtung zum Gestüt ein, sondern ritt eine halbe Stunde nach Osten, bis er zu einem Wald kam, in dem vier Köhlerfamilien hausten und ihre Kohlenmeiler betrieben. Es war ein aussterbender Hungerberuf, gerade hier in Oberschlesien, wo man die Steinkohle aus der Erde holte und überall um Kattowitz herum die Schlote rauchten und die Fördertürme kreischten. Aber es gab noch einige Schlösser von Adeligen und Landjunkern, wo man die gute Holzkohle verbrauchte. Auch Fürst Pleß ließ bei hohem Besuch seine Kamine damit heizen. »Die andere Kohle stinkt!« behauptete er immer.
    Bei den Meilern sprang Pittorski vom Pferd, steckte zwei Finger in den Mund und stieß einen hellen Pfiff aus. Im gleichen Augenblick rannte von einer der Hütten her Katja über den Platz auf ihn zu.
    »Madonna! Du blutest ja! Dein Arm! Janek, dein Arm! Hilfe! Hilfe! Er verblutet!«
    Schreiend lief sie zu den Hütten zurück. Den Arm mit der anderen unverletzten Hand an sich gepreßt haltend, folgte ihr Pittorski.
    Später, als man ihn verbunden hatte, saß er am offenen, gemauerten Herd, aß eine dicke Grützsuppe und trank ein bitteres Bier, das der Köhler Liblinski selbst in einem Kupferkessel braute. Katja hockte zu Jans Füßen und hatte den Kopf auf seine Knie gelegt.
    »Was nun?« fragte Liblinski. »Der ›Feldherr‹ wird dich nicht in Ruhe lassen. Seinen Hund hast du verdorben, hast ihn bedroht, Katja ist verschwunden … Das geht nicht gut, Jan! Kochlowsky ist mächtiger als du!«
    »Warten wir die Nachricht aus Malachowo ab. Wenn mich Graf Podnansky auf sein Gestüt holt, bin ich ebenso plötzlich verschwunden wie Katjenka. Ich brauche kein Zeugnis vom Fürsten … Podnansky weiß, was ich kann. Und in Malachowo heiraten wir dann, nicht wahr, Katja?«
    »Ja«, sagte sie. Seit Jan ihr so handgreiflich gezeigt hatte, wer ihr Herr war, und sie aus Leos Bannkreis gebracht hatte, schien sie wie verwandelt, fügsam und vernünftig geworden.
    Jan lehnte sich zurück. »Weit weg von Pleß. Wir wollen Pleß vergessen. Vielleicht sehen wir es wieder, wenn Polen endlich wieder ein eigener Staat ist.«
    »Das wird nie sein.« Liblinski schwenkte das Bier in seinem irdenen Becher. »Wunschträume sind das, Jan! Auf der einen Seite sind Deutschland und Österreich zu stark, auf der anderen Seite wird es der Zar nie zulassen, daß es ein freies Polen gibt. Wir werden immer ein getretenes Volk bleiben! Immer! Ob von Osten oder Westen, von Süden oder Norden – immer wird jemand da sein, der über uns Polen herrschen will.«
    »Das wird ein Ende haben!« sagte Pittorski laut. »Dafür kämpfen wir im Untergrund. Dafür errichten wir überall revolutionäre Zellen! Das junge Polen sieht nicht mehr lange zu! Langsam beginnt man zu begreifen, was Sozialismus heißt. Wir müssen lernen, ein Volk zu sein, keine billigen Arbeitssklaven! So, wie wir heute ausgebeutet werden …«
    »Wie willst du's ändern?« Liblinski schüttelte den Kopf. »Nie war die Zeit schlechter für Revolutionen als jetzt. Da ist Deutschland – seit 1871 ein glanzvolles Kaiserreich, reich und mächtig, an der Spitze der eiserne Bismarck – und auf der anderen Seite das große Österreich mit Kaiser Franz-Josef! Wer wollte ihn stürzen? Der Thronfolger? Bringt man seinen Vater um?«
    »Ausbeuter sie alle, alle!«
    »Ruf es in den Wald! Wer antwortet dir? Vielleicht das Echo. Deine eigene Stimme ist's! Willst du damit eine neue Zeit heraufbeschwören?«
    »Tausende, sogar Hunderttausende werden antworten, Liblinski!«
    »Sie werden flüstern, aber damit stürzt man keine Kaiserthrone. Jan, geh zu Podnansky, reite weiter Pferde zu, dressiere sie und mach deiner Katja eine Stube voller Kinder. Das kann ein schönes Leben werden. – Ein eigenes, großes Polen … o Madonna, das bleibt ein schöner Traum! Da müßte sich schon die ganze Welt verändern, wenn er wahr werden sollte.«
    Auch Leo Kochlowsky war an diesem Abend nicht allein. Sein Freund Jakob Reichert saß ihm am Tisch gegenüber, trank wieder seinen Schnaps, den er ›Lebenselixier‹ nannte, weil er

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