Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
auf das Gesicht, der rechte Arm wurde ihm fast aus dem Schultergelenk gezerrt, mit solch einem mächtigen Satz schoß Caesar nach vorn. Leos Finger krampften sich in die Hundekette, aber der Ruck war zu stark, er konnte sie nicht mehr halten. Sie schrammte seine Haut blutig, als sie durch seine Finger rutschte.
Caesar hatte ›Faß!‹ verstanden. Man kann es einem Hund nicht übelnehmen, wenn er den feinen Unterschied zwischen ›Faß‹ und ›faßt‹ nicht versteht. Der Klang allein war es, der Tonfall, der für ihn der Befehl zum Angriff war.
Mit weit aufgerissenem Fang stürzte er sich auf Pittorski. Es war nur ein Meter, und der Angriff kam plötzlich, aber der Pole reagierte instinktiv und treffsicher. Er warf sich zur Seite, riß den Fuß hoch und traf Caesar voll in den weichen Bauch. Der Dobermann heulte auf, schnellte herum und griff wieder an.
Aber auch Pittorski stand wieder. Zu fallen und blitzschnell aufzuspringen hatte er als Reiter gelernt, das gehörte zu den historischen Kampfspielen, die einmal im Jahr in originalgetreuen Kostümen veranstaltet wurden, und Pittorski war fast immer unter den Siegern.
Caesars zweiter Angriff war flacher. Er sprang fast waagerecht auf Jan zu, um sich in dessen Hüfte zu verbeißen. Lag der Gegner erst, ging der zweite, tödliche Biß zur Kehle.
Wieder hob Pittorski das Bein und trat den Hund voll auf die aufgerissene Schnauze. Der Zusammenprall war so stark, daß Caesar sich überkugelte, aber auch Pittorski fiel zurück. Diesmal war der Hund schneller und bereits über ihm, ehe sich Jan wieder aufrichten konnte. Ein heißer Atem wehte über sein Gesicht, er sah die Blutgier in den gelben Tieraugen, aber er hörte auch, wie Leo Kochlowsky »Zurück! Zurück! Caesar, bei Fuß!« brüllte. Aber das nützte nichts mehr. Der Hund, zweimal schmerzhaft getroffen, wollte den Menschen töten.
Kochlowsky hatte sich inzwischen aufgerappelt, kniete im Staub, streckte die blutende, von der Kette aufgerissene Hand von sich und starrte entsetzt auf Pittorski, der auf dem Rücken lag, die Beine in den Reitstiefeln an den Leib gezogen, und auf den jetzt Caesar mit einem wahren Panthersatz zusprang.
Pittorski stieß seinen rechten Unterarm mit aller Gewalt in den aufgerissenen Fang. Gleichzeitig griff er mit der linken Hand zu, packte den Unterkiefer des Hundes und renkte ihn mit einem scharfen Ruck aus.
Caesar heulte wie ein angeschossener Wolf auf, ließ sich zurückfallen, duckte sich, kroch mit gebuckeltem Rücken weg und blieb so stehen, mit bebenden Flanken, hängendem Kopf, winselnd und jaulend, ein Bild des Jammers.
Kochlowsky stemmte sich von der Erde hoch, warf nur einen Blick auf seinen zerstörten Hund und klopfte den Staub von seinen Hosen. Dann strich er seinen Bart glatt und wartete, bis auch Pittorski stand. Der rechte Ärmel seines Reitrockes war zerfetzt. Blut lief ihm über die Hand und tropfte zu Boden.
»Das habe ich nicht gewollt!« sagte Leo heiser. »Ich habe den Hund nicht auf dich gehetzt …«
»Das weiß ich. Ein Unglücksfall.«
»Kauf dir einen neuen Rock. Ich bezahle ihn.«
»Ich nehme von Ihnen nichts geschenkt, Herr Verwalter.«
»Du bist verletzt …«
»Es ist mein Arm! Er geht Sie nichts an!«
»Dann verrecke an Blutvergiftung!« Kochlowsky blickte wieder auf seinen Hund. Caesar stand noch immer verkrümmt und wimmernd abseits. Sein großer, schwerer Körper wurde von Zitterwellen durchrüttelt. »Was hast du mit ihm gemacht?«
»Jetzt ist er versaut, Herr Verwalter. Er wird mich nie wieder angreifen. Er wird mir immer aus dem Weg gehen, sich verkriechen, wenn er mich sieht, ja, nur riecht. Er kann Sie nicht mehr vor mir schützen! Ich habe es Ihnen gesagt.«
»Was hast du gemacht, du Polak?« schrie Kochlowsky.
»Ihm den Kiefer ausgerenkt. Nichts Besonderes. Kann man schnell wieder einrichten. Aber der Hund wird es sich ewig merken. Nach mir schnappt er nie mehr.«
Pittorski schlenkerte das Blut von seiner Hand, putzte sie an seiner Hose ab, ging zu Caesar und hockte sich vor ihn hin. Der Hund rührte sich nicht. Mit krummem Rücken und leise winselnd drückte er seinen ganzen Jammer aus.
Pittorski griff zu, packte blitzschnell den Unterkiefer, riß ihn herum. Caesar stieß einen hellen Schrei aus, wie man ihn noch nie von ihm gehört hatte, dann hob er den Kopf. Sein Maul bewegte sich wieder. Aus seinen bernsteinfarbenen Augen sah er Pittorski traurig an, torkelte dann zu Leo Kochlowsky und setzte sich mit gesenktem Kopf
Weitere Kostenlose Bücher