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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gutsverwaltung und berechtigte zu großen Hoffnungen, denn er galt als gebildeter Mann, hatte er doch das ›Einjährige‹, wie man damals die mittlere Reife nannte, weil man mit diesem Abschlußzeugnis in der Tasche nur ein Jahr beim Militär dienen mußte.
    Aber dann mußte Leo eines Tages nach Pleß weiterziehen.
    Graf Wilczek konnte ihn nicht mehr halten, der Skandal war zu groß: Man hatte Leo Kochlowsky mit der Freifrau von Niemgardt im Stroh überrascht. Nur eine sofortige Abreise nach Pleß rettete Leo vor einem Duell mit dem Freiherrn.
    Das war die Wahrheit, wie Bruder Eugen sie am besten kannte. Alle anderen Versionen über Leos Werdegang waren dichterische Freiheiten oder schlicht Lügen.
    »Was ist nun mit dem Liebesgedicht?« fragte Leo mühsam beherrscht.
    »So etwas Heiliges telegrafiert man nicht!« antwortete Eugen stolz. »Ich habe im Nikolaier Landboten vor drei Wochen einen Artikel veröffentlicht. Einen großen Artikel! Zwei volle Spalten! ›Stadtluft und Landluft‹ hieß er. Ein riesiger Erfolg. Neun mir unbekannte Leute haben mir auf offener Straße die Hand gedrückt! Das Volk spürt eben, wo ein großer Geist heranwächst! Ich habe zwanzig Mark Honorar bekommen! Zwanzig Mark, Leo! Einen Augenblick durchrann mich das Gefühl eines Millionärs.«
    »Und wo ist das Geld?«
    »Ich habe endlich meine Miete bezahlt. Leo, als ich das Geld auf den Tisch legte … die Hauswirtin hat geschluchzt!«
    »Wo ist das Gedicht?« sagte Kochlowsky scharf.
    »Am nächsten Tag traf ich den Verleger. Stell dir das vor, Leo!« fuhr Eugen mit glänzenden Augen fort. »Kommt mir der Verleger auf der Straße entgegen und erkennt mich! Der große Bärwald erkennt den kleinen Kochlowsky! Ist das kein Beweis für Popularität? Und was sagt der große Verleger Bärwald zu mir: ›Mein lieber Kochlowsky, Sie haben eine flotte Feder. Versuchen Sie doch mal eine politische Kolumne! Stramm deutschnational, versteht sich. So immer feste drauf auf die Sozis – wie unser Bismarck!‹ Und ich sage zu ihm: ›Ich werde Ihnen einen großen Roman schicken!‹ – ›Können Sie‹, antwortet der Verleger. ›Nur, für einen Roman kann ich nicht viel zahlen. Das Volk soll nicht unterhalten, sondern aufgeklärt werden!‹ – Und nun sitze ich dran.«
    »Woran?«
    »Ich schreibe einen Aufklärungsroman.«
    Leo Kochlowsky gab dem Pappkoffer seines Bruders einen gewaltigen Tritt, der ihn quer durch das Zimmer beförderte. »Brudermord gehört zur klassischen Tragödie!« sagte er dumpf. »Eugen, wie lange willst du bleiben?«
    »Bis du mich rausschmeißt.«
    »Du hast also kein Liebesgedicht mitgebracht?«
    »Wie stellst du dir das vor? Ein Befehl per Telegramm, und schon purzeln die Verse aus dem Kopf?« Eugen schüttelte sich, als habe er Essig getrunken. »Leo, kann man irgendwo eine Pfanne Bratkartoffeln bekommen?«
    »Ich mach' dir eine.«
    »Und dazu ein Zipfelchen Wurst?«
    »Du hast noch nichts gegessen?«
    »Ich bin sofort deinem Notruf gefolgt, ohne an mich und meine Bedürfnisse zu denken. Mein kleiner Bruder braucht mich – da kenne ich keine Hindernisse.«
    »Das hast du bewiesen.«
    »Vielleicht kann man die vier Eier noch in die Pfanne hauen. Man könnte sie von meiner Unterhose und den beiden Hemden, die im Koffer sind, abkratzen …«
    »Ich habe zweihundert Meter weiter Tausende von Eiern zur Verfügung!« brüllte Leo.
    »Zweihundert Meter weiter? Gehst du da jetzt hin? Nein. Na also! Aber Eier beflügeln die dichterische Phantasie. Eiweiß ist Hirnnahrung, das Eigelb dringt in die Körpersäfte, und das ist wichtig für Liebeslyrik …«
    Wortlos setzte Leo Kochlowsky in der kleinen Küche eine Bratpfanne auf, briet Speck und Griebenschmalz aus, schnitt gekochte Kartoffeln vom Mittag hinein und holte aus einer Schüssel drei Eier. »Ich habe im Augenblick sonst nur Sülze hier«, knurrte er.
    »Auch gut.« Eugen nickte zufrieden. »Mit Senf …«
    »Quatsch mit Soße sollte man dir geben.«
    »Du bist ungerecht gegen die Kunst, Leo.« Eugen hob schnuppernd die Nase. Der Speck bruzzelte in der Pfanne. »Im Verzeichnis der Einwohner von Nikolai stehe ich folgendermaßen drin: Kochlowsky, Eugen, Heimatdichter. Hast du gehört? Heimatdichter! Wer noch einen Funken Gefühl hat, dem müssen jetzt die Tränen kommen. Heimat! Dichter! Welche Kombination! Der Menschheit höchste Werte, vereint in einem Wort! Das ist dein Bruder! – Oh, wie duftet der Speck!«
    Mit verhangenen Augen sah Leo zu, wie sein Bruder die ganze

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