Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
liegen zu Füßen, die anderen wollen auf den Händen tragen! Das ist doch nur Geplapper!«
»Und was ist ehrlich, Herr Verwalter?«
»Wo ist Wanda!« rief Reichert. Er war noch einmal durch die kleine Wohnung gerannt und schwitzte vor Aufregung.
»Dieses Wanda-Geschrei fällt mir auf die Nerven!« bellte Kochlowsky in alter Manier. »Vielleicht hat sie auch einen, der ihr zu Füßen liegt! – Sophie …«
»Wenn Sie brüllen müssen, gehen Sie bitte hinaus!« sagte sie bestimmt. »Ich habe empfindliche Ohren.«
»Sophie …«
»Was geht Sie überhaupt mein Billet an?«
»Wer ist Eberhard von Seynck?«
»Ein sehr netter, höflicher, ruhiger, gebildeter, charmanter, liebevoller Mann …«
»Das reicht!« sagte Kochlowsky finster. »Und dann noch einer von Adel.«
»Ja. Ein Offizier.«
»Auch das noch!«
»Sie mögen keine Offiziere?«
»Die Kerle im bunten Rock wirken auf mich wie italienische Hähne …«
»Sie sehen so heldisch und unbesiegbar aus …«
»Ich will endlich wissen, wo Wanda ist!« rief Reichert. »Leo, hinter unserem Rücken geschehen die verwerflichsten Dinge! Sophie, ich hätte nie geglaubt, daß du lügst.«
»Ich lüge nicht«, sagte sie mit trotzigem Stolz. »Ich sage nur nichts …«
»Ha! Es gibt also etwas zu verbergen?« schrie Kochlowsky.
»Sie schreien schon wieder!« Sophie zeigte hoheitsvoll zur Tür. »Hinaus!«
»Woher kennen Sie diesen Seynck?«
»Was geht Sie das an?«
»Mich geht das alles an!«
»Sie schreien noch immer! Dort ist die Tür, Herr Verwalter!«
»Ich liebe Sie!« brüllte Kochlowsky.
»Jetzt weiß es halb Pleß …«
»Halt!« Reichert warf beide Arme hoch und sprang zwischen Leo und Sophie. »Auseinander! Das ist ja die Hölle! Wanda heimlich weg – und Leo macht sich an Sophie ran! – Sophie, mein Kind, hör ihn nicht an! Ja, wirf ihn hinaus! Denk an alles, was man dir über Leo erzählt hat. Es war nur ein kleiner Teil der Wahrheit! Er ist hundertmal schlimmer!«
»Was hat man über mich erzählt?« fragte Kochlowsky dumpf. »Sophie, ich weiß, ich bin ein grober Klotz, ich habe mehr Feinde als Napoleon; wohin ich komme, gibt es Krach, ich weiß nicht, warum. Dabei verlange ich nur mein Recht, mein verdammtes Recht, nicht mehr. Ich lasse mich nicht mit offenen Augen bescheißen und wehre mich dagegen, aber in diesem Leben ist es doch so, daß jeder den anderen bepinkeln will …«
»Leo!« rief Reichert dazwischen. »Aber mach nur so weiter, mach nur! Das ist das beste Mittel, Sophie von dir zu heilen. – Da hörst du, wie er ist, mein Kind! Leo muß sich mit allen streiten, sonst kann er nicht atmen! Einmal wird jemandem die Geduld platzen, und er wird ihn erschlagen …«
»Wer ist Eberhard von Seynck?« fragte Kochlowsky wieder. »Werden Sie ihn treffen, Sophie?«
»Ja.«
»Mit ihm ausgehen?«
»Ja. Zum Tanz …«
»Sie tanzen gern?«
»Es gibt nichts Schöneres. Ich wollte ja Tänzerin werden, aber Papa und Mama waren dagegen. Papa sagte: ›Dreh dich um den Kochtopf – das ist die Aufgabe einer Frau!‹ – Er hält wenig von Künstlern.«
»Aber Sie können sich für Kunst begeistern, nicht wahr?«
»Für jede Kunst. Für Musik, für die Malerei, vor allem aber für die Poesie … Ich kann stundenlang Gedichte lesen.«
Man sollte Eugen den Hals wie einem Täuberich umdrehen! dachte Kochlowsky erbittert. Genau den richtigen Riecher habe ich gehabt, sie liebt Gedichte. Seit zehn Tagen hätte sie mit Gedichten überschwemmt werden können, wenn Eugen nicht ein so faules Aas wäre!
»Gedichte sind wirklich etwas Schönes«, sagte Leo und würgte an seinem Ärger.
»Tanzen Sie auch?« erkundigte sich Sophie.
»Ja.« Kochlowsky sah sie erschrocken an. Natürlich keinen Schritt, dachte er. Woher sollte ich tanzen können? In Nikolai hatte keiner von uns die Zeit und das Geld, eine Tanzschule zu besuchen. Auch als Einjähriger, wo man sonst dem Tanzcircle angehört und seine ersten Damenbekanntschaften macht, hatte ich andere Sorgen. Mutter war immer kränklich, der Vater seit einem halben Jahr tot, Eugen lebte damals in Breslau und volontierte bei einer Zeitung – auf mir lastete der ganze Haushalt. Wie kann man da tanzen? Später war es zu spät, es zu lernen, und ich habe übrigens auch nie ein Tanzbein gebraucht, um eine Frau zu erobern.
»Sie tanzen Contre?« wollte Sophie wissen.
»Natürlich. Auch Quadrille.«
»Und Walzer?«
»Links herum und rechts herum. Und Polka und Mazurka und Rheinländer …«
»Auch
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