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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zu malen und deinem Bruder dann abends treuherzig in die Augen zu blicken. Ich kann das nicht. Morgen ziehen wir um.«
    »Wohin?«
    »Der Leibjäger Wuttke hat im Jagdhaus noch zwei Zimmer frei. Er nimmt uns gern, schon um Leo zu ärgern. Wir haben die Sympathie aller, wenn es gegen Kochlowsky geht.«
    »Ich müßte mein Brüderchen bedauern.«
    »Dazu ist es zu spät. Er wird sich nie ändern. Es ist sein Schicksal, mit seiner Umwelt in dauerndem Streit zu leben.«
    Leo Kochlowsky fuhr zunächst zur Poststelle, wendete dann aber kurz vor dem Gebäude und lenkte den Wagen zur Polizei. Polizei ist sicherer, dachte er. Die Polizei ist zum Schweigen verpflichtet, die Post nur in den Belangen ihres postalischen Bereichs. Außerdem hat das, was ich will, mit der Post nichts zu tun. Ich will nur eine Auskunft, und da ist die Polizei kompetenter.
    Er betrat das Polizeirevier, grüßte höflich und stützte sich auf die Holzbarriere, die den Besucher von den an den Schreibtischen sitzenden Beamten trennte.
    Der Wachtmeister vom Innendienst blickte Leo Kochlowsky besorgt an. Was soll das, fragte er sich. Was will der hier? Natürlich kannte auch hier jeder Kochlowsky, auch wenn er nie etwas mit der Polizei zu tun gehabt hatte. Kleine Diebstähle auf dem Gut regelte er selbst nach Gutsherrenart vergangener Jahrhunderte: In einer Scheune saß er zu Gericht und ließ den überführten Dieb dann jämmerlich verprügeln. Das schreckte mehr ab als ein Monat Gefängnis in Pleß.
    »Sie wünschen?« fragte der Wachtmeister höflich.
    »Ich hätte gern eine Auskunft.«
    »Eine juristische Frage?«
    »Nein. Eine Adresse.«
    »Einwohnermeldeamt, Zimmer 19 …«
    »Das weiß ich auch!« knurrte Kochlowsky, bereits gefährlich.
    »Guten Morgen!« sagte der Beamte trotzdem mit unbegreiflichem Mut.
    »Gibt es in Pleß einen Tanzlehrer?«
    »Einen was?« Der Wachtmeister schob den dicken Kopf vor. »Tanzlehrer? Natürlich gibt es einen. Wir haben ein Gymnasium, eine höhere Mädchenschule, ein Waisenhaus, ein Lehrerinnenseminar, ein Johanniterkrankenhaus, ein Wasserwerk, eine Molkerei, eine Spiritusbrennerei, eine Dampfmühle und ein Gaswerk. Warum sollen wir da keinen Tanzlehrer haben? Meine Tochter nimmt auch bei ihm Unterricht.«
    »Wie heißt er?«
    »Adolphe Furniere!« Der Wachtmeister grinste breit. »Ein Tanzlehrer muß einen französischen Namen haben. In Wirklichkeit heißt er Adolf Flamme, Liegnitzer Platz 5. Zweite Etage.«
    Man muß vorausschicken: Adolf Flamme genoß als Tanzlehrer Adolphe Furniere in Pleß großes Ansehen in den Kreisen, deren Söhne und Töchter er unterrichtete, um ihnen einen Hauch vom Glanz der großen Welt beizubringen, die er selbst auch nur aus Büchern und Journalen kannte. Weiter als bis Breslau und Krakau war Flamme nicht gekommen, aber um dem Plesser Nachwuchs das Tanzen beizubringen, war das genug.
    So wurde auch Leo Kochlowsky mit großer Höflichkeit empfangen, denn man betrachtete ihn als einen Vater, der einen Sprößling anmelden wollte. Adolf Flamme war schlank, ja, fast dürr, hatte eine wallende braune Künstlermähne und legte nach jedem dritten Schritt einen kleinen Hüpfer ein, als wolle er auf den Zehenspitzen weiterlaufen. »Mein Wesen ist ganz Tanz!« pflegte er ab und zu zu sagen. Vor allem den Müttern imponierte das gewaltig.
    »Tochter oder Sohn?« fragte Adolf Flamme und tänzelte vor Kochlowsky her in sein Büro.
    »Sohn …«
    »Wie alt?«
    »Vierunddreißig Jahre …«
    Adolf Flamme drehte eine elegante Pirouette und starrte Kochlowsky ungläubig an.
    »Nein …«
    »Doch!«
    »Sie selbst? Privatstunden?«
    »Natürlich.«
    »Das wird teuer …«
    »Habe ich Sie nach dem Preis gefragt?«
    »Das ist immer die erste Frage.«
    »Meine nicht.« Kochlowsky sah sich um. Dicke Portieren, Seidentapeten, ein Bild vom Kaiser. »Herr Flamme, wann können wir anfangen?«
    »Ich muß meinen Stundenplan durchsehen …«
    »Was kümmert mich Ihr Stundenplan? Ich zahle den doppelten Preis, und wir fangen sofort an!«
    »Sofort?«
    »Auf der Stelle.«
    »Ohne Pianist?«
    »Singen oder pfeifen Sie die Melodie.« Kochlowsky streifte zum Entsetzen von Adolf Flamme seine Jacke ab. Die Grundregel seines Unterrichts hieß immer: korrekte Kleidung. Tanz ist höchster Ausdruck der Ästhetik.
    »Das kann doch nicht so schwer sein! Die Amerikaner pfeifen auch dabei.« Kochlowsky klatschte in die Hände. »Also, legen wir los. Hilliebillie …«
    Adolf Flamme wich bis an die Wand zurück und vergaß

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