Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
gehst mit, Leo …«
»Es wird bei Wanda Komplikationen geben«, sagte Kochlowsky ahnungsvoll.
»Das ist mir jetzt schnurz und piepe!« Reichert winkte mit beiden Armen. »Komm, Leo!«
Es gab tatsächlich große Komplikationen. Reichert hatte sich den ungünstigsten Zeitpunkt ausgesucht, seine Verlobte zu überrumpeln.
Wanda lag im Möbelmagazin III des Schlosses auf einer blutroten Chaiselongue, ganz in der Art der berühmten nackten Maja, ein wenig verschämt, mit geröteten Wangen, aber sehr tapfer, und Louis Landauer saß hinter der Staffelei und rührte einen dicken Klecks Fleischfarbe an.
XI
Man muß Wanda Lubkenski Gerechtigkeit widerfahren lassen: Sie hatte sich vorher sehr geziert.
Sie war nun 46 Jahre alt geworden, hatte viele Stürme des Lebens erlebt und glanzvoll überstanden, und sie war auch, was ihr Liebesleben betraf, keineswegs eine solche Jungfrau geworden, daß sie beim Anblick einer gewaschenen, zum Trocknen aufgehängten Männerunterhose kurzatmig geworden wäre und mit Bluthochdruck zu kämpfen gehabt hätte. Wählerisch war sie, und das stand ihr auch zu als Erste Köchin des Fürsten Pleß, als Herrscherin über 23 Personen Küchenpersonal und Vertraute der Fürstin, die mit ihr, Wanda, den Küchenplan durchsprach; nicht mit dem Haushofmeister, nicht mit der Hausdame Baronin von Suttkamm, nein, Ihre Durchlaucht höchstpersönlich ließ Wanda rufen, um die Speisenfolge Woche für Woche festzulegen.
Aber mit der Liebe hatte Wanda wenig Glück gehabt. Drei Männer hätten ihr Leben prägen können, wenn sie ausgehalten hätten: ein Wachtmeister von der 2. Schwadron des Ulanenregimentes Nr. 2, ein gewaltiger Bursche mit einem gezwirbelten, langen Schnurrbart, auf dem auf jeder Seite ein Rabe hätte sitzen können, wie er behauptete. Aber der Wachtmeister brach sich bei einem Geländeritt das linke Bein, kam ins Lazarett nach Beuthen und von dort nicht wieder nach Pleß. Wanda weinte eine Woche lang.
Der zweite hieß Ewald Lalatek, ein saudämlicher Name, denn wenn sich Lalatek vorstellte, glaubte jeder, daß er stottere. Ewald war Handelsvertreter, wie er sich vornehm ausdrückte. Er reiste durch die Lande und verkaufte an die Gemischtwarenhändler Strumpfbänder mit Rosetten und Spitzenröschen. Das war ein gutes Geschäft; Strumpfbänder konnte man immer gebrauchen, sie waren ein sogenannter Brotartikel.
Wanda liebte Ewald glutvoll, denn er war elegant, schwarzhaarig, biegsam in den Hüften und beherrschte einige lateinische Sätze, die er überall anbrachte und die großen Eindruck hinterließen. Das einzige Kreuz, das er zu tragen hatte, war wirklich sein Name. Aber auch Lalatek war eines Tages weg; eine Miederwarenfabrik in Berlin bot ihm eine Generalvertretung in Pommern an. Das war eine Spitzenstellung! Bei den drallen Pommerinnen war ein Mieder lebensnotwendig. Lalatek entwich also von Pleß nach Berlin und dann nach Pommern. Wanda weinte wieder sehr und verfluchte danach alle Männer. Sie schlug sogar vor, die Kerle zu kupieren …
Die dritte große Liebe war der fürstliche Karpfenteichverwalter Lobumir Sczimczenski. Er war ein friedlicher Mensch, lebte mit seinen Karpfen fast auf du und du, dachte nur an Karpfen, sprach nur über Karpfen und wäre fischblütig geworden, wenn Wanda ihn nicht dauernd in Wallung gebracht hätte. Nur einen Fehler hatte Lobumir, einen ganz großen: Er war dem Verwalter Leo Kochlowsky unterstellt. Kann das gutgehen?
Es ging nicht gut, wie sollte es auch! Nachdem Leo Kochlowsky entdeckt hatte, daß Sczimczenski allergisch auf das Wort ›du Laich-Bleichling‹ reagierte, womit Leo auf die Karpfenbesamung einerseits und auf Lobumirs blasse Gesichtsfarbe andererseits anspielte, war abzusehen, wann Lobumirs Nerven versagten. Er hielt es zwei Jahre lang aus, dann wechselte Laich-Bleichling zu den staatlich-preußischen Fischforschungsanstalten nach Glogau an der Oder.
Wanda erlitt einen Schreikrampf, lag mit Nervenfieber zehn Tage im Bett und dachte an Selbstmord durch Vergiftung oder Erhängen. Dazu kam es jedoch glücklicherweise nicht, weil Jakob Reichert sich rührend um sie kümmerte. Es war das erste Mal, daß Wanda Lubkenski staunend erkannte, daß der stille Witwer Reichert auch seine Qualitäten hatte. Sie hielten sich bei den Tröstungen zwar noch in schicklichen Grenzen, aber sie waren ihr durchaus angenehm. Dagegen wuchs ihr Haß gegen Leo Kochlowsky über die klassische griechische Tragödie hinaus. Er war ohne Beispiel.
Man muß das
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