Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
sein, dachte Kochlowsky. Sie ist nicht nur sanft … »Als du mich an der Seite von Leutnant von Seynck gesehen hast, war dir klar – als erfahrener Mann natürlich, der es genauso gemacht hätte –, wohin der Ausflug führte. Du hast mir das zugetraut.«
»Er wollte dich verführen! Er!« schrie Kochlowsky. »Ich kenne doch all diese Kniffe …«
»Natürlich! Das macht deinen Ruhm ja aus! Und mich hältst du für so dumm, daß ich diesen albernen Verführungskünsten erliege …«
»Du bist zu naiv, Sophie, zu vertrauensselig, zu jung …«
»Aber immerhin doch alt und reif und stark genug, um einen Leo Kochlowsky ein ganzes Leben lang zu ertragen! Wo ist da ein Sinn?«
»Sophie, ich werde dich auf Händen tragen …«
»Die Hände wirst du für die Arbeit brauchen. Pleß ist nicht die ganze Welt – das stimmt. Aber es wäre für uns eine kleine, schöne Welt gewesen – du auf dem Gut, ich in der Küche. Ein eigenes Haus, unseren Garten, die Deputate, die Pferde, den Dogcart, die Kutsche. Hier warst du der ›Feldherr‹. – Das ist nun alles vorbei. Wir werden schwer arbeiten müssen.«
»Ich drücke mich vor keiner Arbeit!« knurrte Kochlowsky und vermied es, Sophie anzusehen. Er mußte ihr recht geben: Durch das Peitschenduell war sein Leben völlig verändert worden. Auf Pleß war er ein Herr gewesen, aber wo er in Zukunft auch hinkam: Er würde überall nur ein Untergebener sein. Das, was er im Leben am meisten haßte: einer, der den Nacken beugen mußte.
»Ich … ich habe es für dich getan, Sophie«, sagte er stockend. »Aus Liebe.«
»Aus Eifersucht.«
»Ich konnte nicht anders. Nimm mich, wie ich bin – oder gib mir einen Tritt. Ich werde mich nie ändern …«
»Dann weg von hier!« sagte Reichert laut. »Vor diesem Untergang kann man noch fliehen, Sophie!«
»Ja, das kannst du!« Kochlowsky senkte den Kopf. »Was soll ich noch reden? Ich bin Leo Kochlowsky – man kann mich verachten, verdammen, verfluchen, hassen, zum Teufel wünschen – oder mich lieben. Ich kann nur sagen, daß ich einmal im Leben gewußt habe, was Liebe ist: wenn ich dich anschaue, Sophie! Wenn ich an dich denke, Sophie. Wenn ich von dir träume, Sophie. Wenn ich mit dir spreche, auch wenn du nicht im Raum bist. Du bist überall, wo ich bin!« – Er wandte sich ab, zeigte mit dem Daumen zur Küchentür und sagte in seinem gewohnten Ton: »In der Küche muß ein Eimer stehen. Sonst im Vorratsraum. Die Blumen werden welk.«
Mit offenem Mund sahen Reichert und Eugen zu, wie Sophie gehorsam den Blumenstrauß an sich drückte und in der Küche verschwand.
Er hatte das nicht erwartet, und deshalb irritierte es ihn maßlos: Fürst Pleß ließ ihn nicht abweisen, sondern war bereit, Leo Kochlowsky zu empfangen.
Daß sich die Lage verändert hatte, merkte Leo am Gehabe des Personals. Der Leiblakai sah stolz über ihn hinweg, der Privatsekretär des Fürsten sprach kein Wort mit ihm, der Adjutant, der ihn in Empfang nahm, sagte hochnäsig: »Ihre rechte Schuhspitze ist schmutzig.«
»Ich weiß, Herr Baron«, gab Kochlowsky verkniffen zur Antwort. »Damit habe ich eben einen Hochgestochenen in den Arsch getreten.«
Es war klar, daß nach diesem Dialog keine Worte mehr fielen. Mit versteinerter Miene führte der Adjutant Kochlowsky zum Fürsten.
Fürst Hans Heinrich XI. saß wie immer in einem Jagdanzug hinter seinem Schreibtisch und trank gerade eine Tasse Tee mit Zitrone. Als die hohe Tür zuklappte, blickte er hoch und sah Kochlowsky, wie sich dieser verneigte.
»Das ehrt mich aber«, sagte Fürst Pleß, »daß ich für würdig befunden werde, eine Verneigung von Leo Kochlowsky zu bekommen. Man erzählt sich, selbst beim Vaterunser in der Kirche senkt ein Kochlowsky nicht sein Haupt.«
»Durchlaucht, ich gehe nur dreimal in die Kirche: zu Weihnachten, zu Ostern und zum Erntedankfest. Weihnachten denke ich beim Gebet an die Wintersaat, ob sie auch aufgeht, Ostern bete ich um einen guten, heißen Sommer, und zum Erntedankfest rechne ich den Gewinn Eurer Durchlaucht aus …«
»Mir ist es ein Rätsel, Kochlowsky, warum ich Sie nicht rausschmeiße, sondern nur versetze!«
»Ich bin ja bereits schon in Ratibor, Durchlaucht.«
»Und mein Mustergut III steht da wie eine Waise. Kochlowsky, was haben Sie mit dem Baron von Seynck angestellt! Mein Gott, sind Sie verrückt?«
»Verliebt, Durchlaucht.«
»Das müssen Sie mit der Peitsche verbreiten?«
»Der Herr Leutnant fuhr mit meiner Braut ins Grüne.«
»Ist das
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