Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt
Schach miteinander. Im Verwalterhaus standen noch alle Fenster weit offen.
»Frische Luft tut gut!« sagte Portenski freundlich. Eugen verzog das Gesicht.
»Es ist eine Lüge, daß noch nie ein Mensch erstunken ist. Ich würde da drin umkommen! Mein Gott, was ist das bloß für eine Salbei.«
»Ein Wunderfett!« Portenski lachte genüßlich. »In Polen – und nicht nur dort – gibt es ein Hausmittel gegen aufgesprungene, wunde Hände. Ein wahrer Segen. Und was ist es? Man pinkelt auf die wunden Hände! Sie werden staunen, wie das hilft! Und genauso garantiere ich Ihnen, daß Leo in zwei Wochen wieder manierlich aussieht …«
Kochlowsky empfing Dr. Portenski mit dem Knurren eines hungrigen Löwen. Er saß im Bett, las die Plesser Zeitung und hatte den Brief seiner Strafversetzung mit Heftzwecken an die Tapete gepinnt. Als Portenski fröhlich: »Na, wie geht's uns denn heute?« sagte, zeigte Leo mit dem Daumen stumm auf den Brief. Portenski nickte mehrmals.
»Das hat sich in Pleß herumgesprochen wie ein Lauffeuer. Natürlich bleibt so eine Nachricht nicht geheim. Dafür sorgen schon die Lakaien und Zofen. Es soll Menschen geben, die nach dieser Mitteilung Festtagskleider angelegt und einander mit Wein zugetrunken haben.«
»Saubande!« sagte Kochlowsky düster.
»Wundert Sie das?«
»Bin ich so ein Scheusal, Portenski?«
»Ja!«
»Danke.«
»Gern geschehen. – Wie geht es Ihnen?«
»Ich werde mein Leben lang stinken! Das geht aus den Poren nie wieder heraus. Aber auch das ist mir jetzt egal!«
»Wir werden ein heißes Bad nehmen und alles abwaschen«, sagte Portenski.
»Schon?«
»Die zweite Salbe ist milder.« Portenski nahm Leos Hand und fühlte den Puls. »Fieber haben Sie auch nicht. Sie haben eine wahre Roßnatur, Leo. Wissen Sie, daß es Peitschenduelle schon bei den Mongolen gegeben hat?«
»Nein.«
»Nur hatten die ihre Schnüre mit Haken verziert. Und einen Überlebenden gab es nicht. Da flogen im wahrsten Sinne des Wortes die Fetzen … Los, raus aus den Federn! In den Badezuber! Wir wollen diesem Dr. Senkmann doch mal zeigen, wie schnell ein Kuhdoktor einen Kerl wie Sie wieder auf die Beine bringt …«
Am späten Abend, als im Schloß der Küchendienst für alle beendet war bis auf die ›wachhabende Mamsell‹, die so lange aufbleiben mußte, wie die Durchlauchten auch nicht schliefen, betrat Sophie zum erstenmal das Verwalterhaus.
Der Gestank hatte nachgelassen, aber er hing noch wie Pech in den Wänden. Eugen hatte eine ganze Flasche Eau de Cologne versprüht – zusammen mit Ammoniakduft ergab das eine Parfümnote, die man einmalig nennen konnte. Immerhin war es möglich, sich wieder im Haus aufzuhalten, ohne dauernd würgen zu müssen.
Kochlowsky war frisch gebadet und mit einer geradezu wohlduftenden Salbe eingerieben worden. Er saß auf dem Sofa im Wohnzimmer, trank frisches Bier, das man in einem großen Glassiphon geholt hatte, und hörte sich mißmutig an, was Eugen in den letzten Tagen gedichtet hatte.
Eine Ode an Sophie war darunter, die sich hören lassen konnte. Sie begann mit: »Wenn Sterne aus dem Himmel fallen könnten und blaue Seen sich in Aug' verwandeln …« und traf genau das, was Leo empfand.
»Zu spät!« sagte er nach dem Vortrag. »Wie immer – du Dämlack kommst du zu spät! Das hätte ich drei Wochen früher gebraucht. Vielleicht wäre alles anders geworden! Aber ihr habt nur gefressen und gesoffen und mich im Stich gelassen.«
»Immerhin weißt du nun, daß Sophie dich liebt.«
»Aber was für ein Leben kann ich ihr jetzt bieten? Hier wäre ihr als der Frau Verwalter überall mit größter Achtung begegnet worden, doch was wird sie in Ratibor sein? Frau Rechnungsführer! Vor dem Rendanten müssen wir den Hut ziehen! Ich – einen Hut ziehen! Ich kenne den Kerl. Hubert Seppenthal heißt er. Ein dicker, arroganter Mensch. Eine aufgeblasene Null! Ein Trommelscheißer! Er wird am Tag dreißigmal an mir vorbeigehen, nur damit ich eine Verbeugung mache, und er wird sich dabei vor Wonne in die Hosen pinkeln! – Eugen, es wird hart werden.«
»Ich begleite dich, Brüderchen«, sagte Eugen erschüttert.
»Das wäre das Letzte!« Kochlowsky schlürfte sein Bier. In diesem Augenblick klopfte es an der Haustür. Sophie Rinne war gekommen. Aber natürlich war sie nicht allein. Jakob Reichert begleitete sie. Er sah ganz zerknittert aus, seine Mundwinkel zuckten, seine Augen waren gerötet.
Kochlowsky streckte beide Arme nach Sophie aus, aber Reichert stellte
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