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Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt

Titel: Kochlowsky 1: Vor dieser Hochzeit wird gewarnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rief noch ein paarmal »Hallo! Hallo!«, aber es gab keine Verbindung mehr. Es war schon so ein unbegreifliches Wunder, daß man in einen Trichter sprach und Hunderte von Kilometern weiter gehört wurde und Antwort erhielt. Das neue Zeitalter der Technik überschüttete die Menschen mit immer größeren Überraschungen.
    So überzeugt man im Schloß war, mit Kochlowskys Verbannung nach Ratibor das Problem gelöst zu haben, so wackelig war in Wahrheit das Fundament dieses Glaubens. Man wußte nämlich eines nicht: Weder Eugen Kochlowsky noch Louis Landauer hatten Pleß mit dem Zug nach Kattowitz wirklich verlassen.
    Sie fuhren zwar ab, stiegen aber an der nächsten Station wieder aus, tranken ein paar Gläser Bier im Wartesaal und kehrten mit dem Gegenzug nach Pleß zurück. Innerhalb einer Stunde hatten sie ausgerechnet bei Tanzlehrer Adolf Flamme-Furniere eine Dachkammer gemietet und richteten sich dort ein.
    »Das sind wir meinem Brüderchen Leo schuldig!« hatte Eugen gesagt. »Ich glaube, es hat ihn wirklich gepackt! Und geben wir zu, Louis: Wir haben Leo elend beschissen! Wir haben etwas gutzumachen.«
    Drei Tage ließen sie verstreichen, gewissermaßen zur Festigung des Glaubens in Pleß, Sophie sei in Sicherheit, dann schlich sich zunächst Landauer zum Schloß und klopfte spätabends bei Wanda Lubkenski ans Zimmerfenster.
    Wanda stieß einen hellen Schrei aus, als sie Louis' Gesicht im Mondschein erkannte, und holte ihn sofort ins Haus.
    »O Gott, wenn dich Jakob sieht!« rief sie und rang die Hände. »Ich denke, du bist längst in Nikolai?«
    »Erst muß das Bild fertig werden. Ich bin ein korrekter Mensch. Ich hinterlasse keine Halbheiten! Ich brauche noch zwei Wochen für dich und drei Wochen für Sophies Porträt.«
    »Wenn man dich entdeckt, ist der Teufel los. Vor allem der Leiblakai des Fürsten …«
    »Du wirst mich immer bei Dunkelheit ins Haus lassen, Wanda. Ich werde auch Sophie nur noch abends malen können.«
    »Und wo ist Eugen?«
    »Mit mir in Pleß. Er will einen Roman schreiben – über seinen Bruder Leo und Sophie. Der ›Schlesische Werther‹. Er war schon immer ein verrückter Kerl, der Eugen!« Landauer streckte die Beine von sich. »O Wanda, ist das schön bei dir! Und einen Hunger habe ich!«
    Das vor allem war es, was Eugen Kochlowsky und Landauer in Pleß festhielt – der immer gedeckte Tisch. Sie hatten das in aller Heimlichkeit, während Leo seine Koffer packte, besprochen. Und da man sich aus den langen Jahren in Nikolai kannte und sich aneinander gewöhnt hatte, wußte jeder, was der andere dachte, und es kam schnelle Einigkeit zustande: Man gibt keine guten Pfründe auf, nur weil es einmal hagelt. Solange Louis Wanda Lubkenski malen konnte, würde man auch satt ins Bett steigen können, und wenn die Bilder vollendet waren, konnte man weitersehen. Von Leo war bestimmt noch einiges zu erwarten, darauf hofften die beiden Künstler, das hatte er ihnen als Erbe hinterlassen.
    »Er muß erst Luft holen!« weissagte Eugen. »Die Situation ist neu für ihn. Bisher ist er noch nie irgendwo hinausgeworfen worden. Eine Woche Ratibor wird ihn aufladen – und dann explodiert irgendwo irgend etwas ganz Verrücktes! So sang- und klanglos wie heute tritt kein Leo Kochlowsky von der Bühne ab!«
    Es geschah nun in den nächsten Tagen, daß Jakob Reichert wieder wie hirnverbrannt herumrannte und seine Wanda suchte, die Abend für Abend ohne Erklärungen zwei Stunden lang verschwunden blieb, danach zufrieden, mit glänzenden Augen und sehr fröhlich wieder auftauchte und so tat, als sei sie nur rund durch den Schloßpark gewandelt und habe den Mond angesungen.
    Reichert tobte und klagte, flehte und drohte – aus Wanda war die Wahrheit nicht herauszuholen. Auch Sophie konnte er nicht verhören; sie zog sich angeblich gleich nach dem offiziellen Küchendienst auf ihre Kammer zurück und schloß sich ein, um mit ihren Gedanken an Leo allein zu bleiben.
    Louis Landauer entwickelte sich zu einem perfekten An- und Abschleicher. Nach den Sitzungen nutzte er alle Mauernischen und Baumschatten aus, alle Umwege, alle Kellergänge, die Wanda ihm zeigte, um schwer bepackt mit kaltem Braten, Gemüse, Obst, Käse, Pudding und zwei Flaschen Rotwein unbemerkt das Schloß zu verlassen und sich bis zu einem Schuppen durchzuschlagen, wo er ein Fahrrad versteckt hatte. Das hatte Louis in Pleß für zwei Mark pro Woche von einem Eisenhändler geliehen, ein altes, klappriges Modell, aber es kam ja nicht auf die

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