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Kochwut

Titel: Kochwut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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als sie im Haus einige bauliche Veränderungen vorschlug, hatte er keine Einwände. Sie hatten die Wand zwischen Wohnstube und Küche entfernen lassen, sodass der neue Raum unter der niedrigen Decke eine bisher unbekannte Großzügigkeit ausstrahlte und durch die hinzugekommenen Fenster viel heller geworden war, was auch dem Vater gefiel. Außerdem war er nicht allein, wenn Hilde in der Küche zu tun hatte, und brauchte trotzdem seinen gemütlichen Sessel nicht zu verlassen. Das elterliche Schlafzimmer, das jetzt sein alleiniges war, hatten sie vom ersten Stock ins Parterre verlegt und daneben noch ein Bad einbauen lassen, was Hinrich das beschwerliche Treppensteigen ersparte. Und der erste Stock war Hildes Reich. Es war mehr als genug Platz für ihr Schlafzimmer und ihren ›Salon‹, wie sie es nannte, wo eine Biedermeiergarnitur und ihr Schreibtisch standen, ihre Bücher und ihre Musikanlage. Außerdem gab es hier oben noch ein Gästezimmer und eine Wäschekammer. Sie hatte ihr eigenes Badezimmer, und unter den schrägen Wänden des alten Reetdaches war es im Winter gemütlich warm und im Sommer angenehm kühl.
    Hilde fettete die Puddingform, kleidete sie mit Semmelmehl aus und gab großzügig den in Scheiben geschnittenen Speck hinein. Dann griff sie nach dem Topf mit dem Grießteig. Wie so oft beim Kochen wollten ihre Gedanken nicht ruhen. Sie dachte dabei gern über alles Mögliche nach, und gerade in diesen letzten Wochen war vieles passiert. Vieles, das schön war für sie. Aber warum musste auf etwas Schönes immer gleich wieder etwas Trauriges folgen, fragte sie sich.
    Sie stellte die Puddingform in einem großen, mit Wasser gefüllten Topf auf den Herd und machte die Flamme an. Vom ersten Moment, als sie hierher zurückgekommen war, hatte sie sich auf Güldenbrook richtig zu Hause gefühlt, war zufrieden, ihre Tage waren ausgefüllt mit Arbeit im Haus, im Garten, manchmal half sie im Hofladen – es gab immer irgendetwas zu tun. Dass sie sich noch einmal verlieben würde, damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet, nicht einmal theoretisch darüber nachgedacht. Eigentlich hatte sie nach der Trennung von Paul mit dem Thema Liebe für sich abgeschlossen. Ihr gefiel ihre Unabhängigkeit, ihr neues Leben, sie vermisste nichts. In diesem Jahr wurde sie 60, lebte mit ihrem alten Vater hier auf dem Lande – wo in Dreiteufelsnamen sollte sie da auch jemanden kennenlernen? Und dann war es doch passiert. Letztes Silvester.
    Es klingelte. Der Kater hob den Kopf, und Hinrich schrak kurz zusammen. Sein Schnarchen stolperte, doch er hatte sogleich seinen alten Rhythmus wiedergefunden. Als Hilde durch den Flur zur Haustür ging, sah sie durch die Scheibe zwei Männer im Windfang stehen, und sie konnte sich schon denken, weshalb sie kamen. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und öffnete. Der große, dunkle mit den lockigen Haaren stellte sich und seinen Begleiter, einen Typ mit Allerweltsgesicht in Jeans und Lederjacke, kurz vor, und wie erwartet waren sie von der Polizei.
    »Ich würde Sie ja gern hereinbitten, aber mein Vater macht gerade seinen Mittagsschlaf …« Nervös sah sich Hilde nach hinten um.
    »Das ist kein Problem. Wir haben nur ein paar kurze Fragen, Frau Dierksen. Sie wissen, was passiert ist, dass Herr von Güldenbrook …?«, fragte der Dunkelhaarige ernst. Sie nickte. Er sah ganz sympathisch aus. Hilde schätzte ihn so um die 40, sein Kollege war bestimmt ein paar Jahre jünger. Mit seinen kurz geschorenen Haaren hatte er etwas Freches, Jungenhaftes. Einen seriösen Polizeibeamten hatte sie sich eigentlich anders vorgestellt. So wie den Älteren allerdings auch nicht.
    »Hilde!«
    »Ja, Vadder, ich komme gleich!«
    Jetzt war er also doch wach geworden. Wahrscheinlich hatte er die Stimmen auf dem Flur gehört. Seine Ohren waren erstaunlich gut für sein Alter. Nun müsste sie den Beamten erklären, warum sie überhaupt nicht wollte, dass ihr Vater etwas von Christians Tod erfahren sollte, jedenfalls nicht jetzt. Doch es war zu spät. Die Tür zur Stube öffnete sich, der Kater marschierte auf die Besucher zu, und dahinter erschien Hinrichs Gestalt.
    »Hilde, mit wem sprichst du? Warum steht ihr da in der Kälte? Bitte die Herrschaften doch herein!«
    Hinrich hatte nicht nur gute Ohren, er wollte auch immer Bescheid wissen, was vor sich ging. Nun ließ es sich nicht mehr ändern.
    »Vadder, es ist etwas passiert. Die Herren sind von der Polizei«, sagte Hilde, während sie die Beamten

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