Kochwut
Kopf.
»Nein, wirklich, das hab ich nicht! Ich wollte nur mit ihr reden und bin in den Maskenraum gegangen, aber sie war nicht da. Die Thermoskanne und die Tasse mit dem Schriftzug Maja stand auf dem Tisch. Ich hab an dem Tee gerochen, und dann hatte ich eine Idee …«
Wieder fing sie an zu heulen.
»Und welche Idee war das, Frau Sinkewitz?«, fragte Jansen barsch, dem das alles viel zu lange dauerte. Sie schniefte.
»Wenn ihr ein klein bisschen übel würde, dachte ich, dass sie nicht auftreten kann, das wäre eine Möglichkeit. Und ich nahm mein Fläschchen mit dem Bitterdistelextrakt und kippte einen ordentlichen Schuss in die Kanne. Das ist nur ein Brechmittel, das ist überhaupt nicht schlimm!«
Sie schluchzte laut auf.
»Ich muss das falsche Fläschchen erwischt haben«, flüsterte sie dann mit belegter Stimme.
»Das wird wohl so gewesen sein«, stimmte Jansen zu.
Kapitel VII
Es war kurz vor 13 Uhr, und vom inzwischen wolkenlosen Himmel schien die Sonne, so stark, wie sie es an einem Februartag vermochte. Dort wo ihre Strahlen ungehindert auftrafen, schmolzen die Raureifgebilde an Gebäuden und Pflanzen sofort, doch im Schatten herrschten immer noch Minusgrade. Auf dem Hof von Gut Güldenbrook herrschte ein reges Kommen und Gehen. Die Zuschauer der Lebouton-Shows flanierten auf dem Gelände herum, spähten in Laden und Restaurant, aber auch in die umliegenden Wohnhäuser, fotografierten und wurden von den Presseleuten, die sich immer noch zahlreich hier herumdrückten, fotografiert und interviewt.
Angermüller und Jansen nutzten die vielen Grüppchen von Leuten, um ungesehen und ohne von dummen Fragen behelligt zu werden, vom Kavaliershaus zum Hofrestaurant zu gelangen. Nur wenige Tische waren besetzt, als sie den Gastraum betraten, der eine ländliche Gemütlichkeit ausstrahlte, ohne kitschig zu wirken. Die niedrige Decke und die Wände waren grob verputzt und weiß gekalkt, Decken- und Stützbalken dunkel lasiert. Um kleine Tische mit rotweiß karierten Tischdecken standen schlichte Holzstühle. Als Zierde auf Fensterbrettern und in einem Wandregal dienten antike Utensilien aus der Bauernküche sowie Stücke aus Elsässer Keramik, die auch zum Kauf angeboten wurden. Ein kräftiger Duft nach Fleisch und Gewürzen lag in der Luft, der Angermüller sofort neugierig machte, welche Delikatesse hier wohl zubereitet wurde. Pierre Lebouton hatte ihnen durch Grit Fischer ausrichten lassen, dass es ihm am liebsten wäre, sie träfen sich im Restaurant, da er dort ohnehin zu tun habe.
Sie sagten der Bedienung Bescheid, und es dauerte keine Minute, bis Lebouton bei ihnen war. Im Vergleich zum Vortag wirkte der Meister heute entspannt und gab sich recht aufgeräumt. Sie nahmen an einem etwas abseits stehenden Tisch Platz, und als Erstes dankte er ihnen für die schnelle Aufklärung des Giftanschlags auf Maja Graflinger.
Die geständige Lilo war unterwegs nach Lübeck, wo der Richter über die Untersuchungshaft entscheiden würde. In dem riesigen Rucksack, den sie immer mit sich herumschleppte, hatte sich eine unübersichtliche Sammlung von Fläschchen und Döschen gefunden, ihre Reiseausrüstung aus der Apotheke Gottes, wie Lilo sagte. Die Etiketten waren zum Teil ziemlich fleckig oder gar nicht mehr lesbar. Dass man dieses unübersichtliche Sammelsurium auch als hochgefährliches Sortiment einer Giftmischerin betrachten konnte, schien ihr nicht im Geringsten bewusst zu sein. In ihrer Unterkunft in Weißenhäuser Strand fanden sich Thermoskanne und Tasse aus der Garderobe. Den Tee mit dem Gift hatte Lilo bereits ins Klo gespült, die Gefäße hatte sie mitnehmen und daheim in Essen entsorgen wollen. Die Beamten waren so diskret wie möglich vorgegangen und hatten die Festgenommene durch Nico Timm und einen weiteren Kollegen mit einem Zivilfahrzeug transportieren lassen – und auch das fand den Beifall von Lebouton.
»So irrsinnig das ist, der Tod von Christian wird sich nicht negativ auf unser Image auswirken, wahrscheinlich hat dieses traurige Vorkommnis sogar eine gegenteilige Wirkung, weil es der Sensationslust der Leute entgegenkommt. Aber Gift im Zusammenhang mit meiner Kochshow, Sie können sich denken, was für hämische Kommentare das hervorrufen würde – vor allem unter den Kollegen«, er strich sich über die Stirn. »Na ja, früher oder später wird es ja doch an die Öffentlichkeit dringen. Maja ist auch nicht gerade wählerisch, wenn sie eine Schlagzeile bekommen kann. Und was möchten Sie
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