Kochwut
geradezu aufgedrängt hat. Gib’s doch zu, das war ein Fehler, gestern nicht mit ihr zu reden. Dazu müssen wir stehen.«
»Mmh«, machte Jansen und stopfte das kleine Diktiergerät in seine Jackentasche.
»So, komm, auf. Dann wollen wir uns jetzt sofort die siegreiche Lilo vorknöpfen.«
Stolz wie eine Königin saß Lilo im Studio in der vordersten Reihe bei der Aufzeichnung der ersten Show des Tages, in der – wie immer – die Vorspeisen zubereitet wurden, heute unter dem Motto ›Rund um die Olive‹, was Pierre Lebouton reichlich Gelegenheit gab, von seinem wunderbaren Olivenöl aus eigener Produktion zu schwärmen. Hin und wieder erschien Lilos Gesicht in Nahaufnahme auf dem großen Studiobildschirm, und Alix Blomberg sprach sie zwei-, dreimal als die Gewinnerin der letzten Woche an. Lilo schob die rote Brille zurecht, lächelte ihr honigsüßes Lächeln und kostete jeden Moment der Aufmerksamkeit in vollen Zügen aus.
Die Aufzeichnung war vorüber, ein großer Teil des Publikums strömte nach vorn zur Bühne mit dem Küchentresen, um sich die Reste der Vorspeisen mit den Olivenvariationen einzuverleiben, sich Autogramme von den Köchen zu holen oder das Kochbuch der Lebouton-Show, das gerade mit einem dritten Band auf den Markt gekommen war, von den Stars signieren zu lassen. Die Begegnung mit ihren Bewunderern absolvierten die Herren – da Maja Graflinger heute fehlte, waren es nur mehr Herren – mehr oder weniger desinteressiert. Routiniert kritzelten sie ihre Unterschriften in die Bücher, unterhielten sich dabei und sahen die Leute, die sie ihnen entgegenhielten, oft nicht einmal an. Doch die schien das nicht zu stören. Sie stolperten anschließend mit verklärten Gesichtern aus dem Studio, überglücklich, ihren Idolen so nahe gekommen zu sein, und zeigten die Unterschriften stolz bei den Umstehenden herum.
Auch Lilo hatte sich nach vorn gedrängelt und die Nähe Leboutons und seiner Kollegen gesucht, die aber kaum Notiz von ihr nahmen. Ob sie wohl jetzt begreifen würde, dass der kurze Moment ihrer vermeintlichen Prominenz schon wieder vorüber war, fragte sich Angermüller? Wenn die Show in ein paar Wochen gesendet wurde, gab es vielleicht noch einmal ein kurzes Aufflackern, aber das war’s dann gewesen.
»Frau Sinkewitz, wie geht es Ihnen heute?«, sprach er sie an, als er neben ihr stand. Auf der Schulter hatte Lilo wieder ihren geräumigen Rucksack hängen, und um den Hals trug sie das bedruckte Schlüsselband mit dem Lebouton-Signet und ihrem Namensschild, das sie als zur Crew gehörig auswies.
»Oh, Herr Kommissar!«
Lilo reichte ihm ihre Rechte mit den vielen großen Ringen. Sie schien nicht unerfreut über das Zusammentreffen.
»Es geht mir ganz wunderbar. Sie haben ja bestimmt schon gehört, dass ich die letzte Runde gestern auch noch gewonnen habe. Mein warmer Erdbeersabayon, Sie wissen schon.«
Sie zwinkerte ihm verschwörerisch zu.
»Meinen Glückwunsch! Sagen Sie, wir würden uns gern noch einmal mit Ihnen unterhalten. Geht das jetzt?«
»Aber klar hab ich Zeit für Sie – nur zur nächsten Aufzeichnung muss ich fertig sein, weil ich da ja so eine Art Ehrengast bin«, lächelte sie kokett.
»Dann setzen wir uns vielleicht am besten in die Gesindeküche, da ist es ein bisschen ruhiger.«
Gerade wollte er mit Jansen und Lilo Sinkewitz an dem großen Holztisch Platz nehmen, da ertönte der Klingelton von Angermüllers Handy.
»Morgen Chef, was gibt’s?«, sagte der Kriminalhauptkommissar, als er den Teilnehmernamen auf seinem Display sah. Der leitende Kriminaldirektor rief an, am Sonnabendvormittag, das war ungewöhnlich. Sein freies Wochenende war dem Mann heilig, und wenn er sich trotzdem meldete, musste es schon verdammt wichtig sein. Angermüller zog sich auf den Flur zurück. Natürlich, das hätte er sich ja denken können: In der Bezirkskriminaldirektion häuften sich die Anrufe von Journalisten, die, durch TVX Kabel aufgescheucht, nach den Vorgängen auf Güldenbrook fragten, ja, es standen sogar schon welche in der Possehlstraße und wollten wissen, wann denn die Pressekonferenz angesetzt sei. Daraufhin hatte man den Chef informiert, der jetzt recht ungehalten war und ungeduldig nach dem Stand der Dinge fragte.
»Ich weiß, du würdest gern was anderes hören, aber bis jetzt gibt es von uns nicht viel Neues.«
Natürlich wären auch Angermüller handfeste Ergebnisse im Fall Güldenbrook lieber gewesen. Aber sie hatten ja noch nicht einmal Steffens Bericht
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