Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde
was, bei Promis baut die Bahn Un annehmlichkeiten vor: mit der Konzernrichtlinie 1354001. Wenn Kanzler, Minister und Bahnchefs reisen, also wichtigere Menschen als zahlende Kunden, wird ein VIP-Reisebegleiter bestellt. Er hat sämtliche Vollmachten, um die Reise angenehm zu gestalten – nicht nur, dass er die Toiletten auf Hochglanz bringen lassen darf: Er kann sogar Fahrpläne kurzfristig ändern und andere Züge warten lassen. Wer ein Bahnchef ist, reist pünktlich und sauber.
Mein Geschäft ist verrichtet. Einziger Gedanke: schnell wieder raus hier! Würde ich eine Toilette in diesem Zustand in einem Kaufhaus oder einem Restaurant vorfinden – ein Anruf beim Ordnungsamt, und der ganze Laden würde dichtgemacht. Stoße ich auf eine solche Toilette in einem Zug, denke ich nur: »eben eine Zugtoilette«.
Ehe ich die Toilette wieder verlasse, will ich mir die Hände gründlich waschen – eine Idee, die angesichts der hygienischen Zustände schon geschätzte 150 Menschen vor mir hatten. Und nun spendet der Seifenspender nur noch ein trockenes Furzen. Immerhin fließt noch Wasser. Und ich bin dankbar, dass ich meine Hände mit einem Papier abtrocknen kann, das eigentlich für andere Regionen des Körpers bestimmt ist.
Einen Moment überlege ich, ob ich den Schaffner über dieses Toiletten-Trümmerfeld informieren soll. Aber das maximale Engagement, das ich ihm zutraue, wäre ein Zettel mit der Aufschrift: »Toilette defekt!« Und damit würden die verbleibenden Toiletten noch öfter benutzt. Und noch schlimmer zugerichtet.
Warum lässt dieselbe Bahn, die an jeder zweiten Station einen »freundlichen Brezelverkäufer« in den ICE aufnimmt, kein mobiles Reinigungspersonal zusteigen? Eine Zugtoilette wird in so kurzer Zeit von so vielen Menschen auf schwankendem Untergrund benutzt, dass eine Reinigung vor Abfahrt nur der erste Schritt sein kann.
Der einzige Vorteil, wenn die Zugtoiletten zu stinkenden Kloaken verkommen: Der Kunde kann schnell erschnuppern, wonach der Service der Bahn riecht.
Die doppelte Bahncard
Soll ich sie mir kaufen, die Bahncard? Oder soll ich nicht? Jedes Jahr schwanke ich. Zwar habe ich nichts dagegen, 25 oder 50 Prozent des Fahrpreises zu sparen. Doch ich hasse es, dass die Bahn mich zum Kauf zwingen will. Der Fahrpreis ist seit 1990, als ich mir eine Zugfahrt von Freiburg nach Hamburg noch vom Taschengeld leisten konnte, schneller gestiegen als die Fieberkurve eines Malariakranken. Heute kostet eine ICE-Fernreise von Nord- nach Süddeutschland und zurück rund 260 Euro.
Dieser »reguläre Fahrpreis« ist eine Waffe der Abschreckungspolitik. Ich empfinde das als Erpressung: Will ich einen halbwegs fairen Preis, muss ich ihn mir durch die Bahncard (BC) erkaufen. Also stecke ich der Bahn viel Geld in die Tasche – 57 Euro für die BC 25 oder 230 Euro für die BC 50 –, ohne eine konkrete Gegenleistung zu bekommen. Erst wenn ich eine Fahrkarte kaufe, was ein weiteres Geschäft für die Bahn bedeutet, erhalte ich Nachlässe. Man kann sich ausrechnen, welcher Geldregen auf die Bahn einprasselt, noch ehe der erste Passagier befördert wurde.
Mehrere ältere Herrschaften aus meinem Bekanntenkreis haben sich eine Bahncard für einmalige Fernreisen aufschwatzen lassen, ohne sie danach jemals wieder zu benutzen – ein großes Verlustgeschäft.
Die Bahncard ist ein Marketinginstrument: Sie soll von hohen Preisen ablenken und den Sparwahn der Kunden ausnutzen. Kundenfreundlich wäre es, bezahlbare Preise für jedermann anzubieten, nicht nur für Inhaber der Bahncard. Kundenfreundlich wäre es, konkrete Preise für konkrete Fahrten zu benennen statt die Menschen mit Rabattscheinwerfern zu blenden.
Vor ein paar Jahren hatte ich eine Bahncard 25 abonniert, nach einem Jahr sollte mir automatisch eine neue ins Haus flattern. Doch genau zu dieser Zeit wollte ich auf einer von langer Hand geplanter Deutschland-Tour sein. Wie konnte ich nun vorzeitig an meine Bahncard kommen?
Eine freundliche Frau am Schalter bot eine unbürokratische Lösung an: Sie stellte mir eine vorläufige Bahncard aus, als Übergang bis zum Eintreffen der abonnierten. Ich bezahlte am Schalter – womit die Rechnung für die abonnierte Card hinfällig wurde; die Dame schrieb einen entsprechenden Vermerk.
Als ich von meiner Reise zurückkam, fand ich zwei Schreiben der Bahn vor. Der Denkschienen-Konzern hatte mir zwei Bahncards geschickt. Und eine weitere Rechnung. Mit Galgenhumor fragte ich mich: Ob zwei Bahncards 25 wohl eine
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