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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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Käfigs zu, mit Draht gesichert.
    Vor Jahren, und Welten entfernt, hatte ich einen einzelnen Stift gezogen und den Nubier befreit. Ich zog einen Stift, und er nahm zwei Leben in ebenso vielen Momenten.
    Jener Jorg hätte auch diesen Stift gezogen. Jener Jorg hätte ihn gezogen und nicht einen Gedanken an die Kinder beim Schwertschlucker vergeudet, oder an die Tänzerinnen und Akrobaten. Ebenso wenig an die Bewohner der Stadt oder Taproots Rache. Aber ich bin inzwischen ein anderer Jorg. Ich bin anders, weil jeden Tag etwas von uns stirbt, und gleichzeitig wird jeden Tag etwas Neues in uns geboren. Auf diese Weise verwandeln wir uns in andere Menschen, in ältere Menschen in der gleichen Kleidung und mit den gleichen Narben.
    Ich vergaß weder die Kinder noch die Tänzerinnen und Akrobaten. Aber ich zog den Stift trotzdem. Denn es liegt in meiner Natur.
    »Für Kaschta«, sagte ich.
    Ich schwang die Tür auf und ging fort. Es stand dem Löwen frei, im Käfig zu bleiben oder ihn zu verlassen, zu jagen oder zu sterben, was auch immer. Wenigstens hatte er jetzt die Wahl. Was mich betraf … Ich musste eine Brücke überqueren.
    Ich folgte Serra, um festzustellen, welchen Schaden Gog angerichtet hatte.

    Bruder Sim gefällt dem Auge, ein bisschen hübsch, ein bisschen
zart, aber mit Schärfe darin. Unter der Färbung ist sein Haar
blond, fast so gelb wie die Sonne, und unter dem Gift sind seine
Augen blau. Ich kenne niemanden unter dem Himmel, der
mehr Zurückhaltung übt, was seine persönlichen Dinge betrifft,
verschwiegener bei seinen Gedanken und Meinungen, und
tödlicher in einem stillen Moment.

17
Vier Jahre zuvor
    Wenn man über den Fluss Reim hinaus nach Norden reist, erreicht man das Dänland, eine vom Meer noch nicht beanspruchte Region, wo in der alten Zeit die Wikinger an Land gingen, um zu erobern und sich dann bei den Leuten niederzulassen, die sich vor der Axt verneigten. Es gibt kaum Dänen, die nicht von sich behaupten, Wikingerblut in ihren Adern zu haben, aber erst wenn das Meer den Weg versperrt, fallen solche Behauptungen ins Gewicht; dann fühlt man sich wirklich zwischen den Männern des wilden, kalten Nordens.
     
    Wir überquerten die Brücke von Remagen zu Fuß und führten unsere Pferde, denn an manchen Stellen wies das metallene Flechtwerk des Bodens Löcher auf, einige so groß wie der Schaft eines Speeres dick, andere groß genug, um einen Mann zu verschlucken. Nirgends zeigte sich Rost auf dem silbernen Metall, und niemand wusste, woher die Löcher stammten. Ich erinnerte mich an den Bauern in seinem Haus aus Grabsteinen bei Perechaise, nicht dazu imstande, eine einzige Inschrift zu lesen. Ich hätte nicht spotten sollen. Wir leben in einer Welt,
die aus den Gräbern der Erbauer besteht; wir können fast keine ihrer Nachrichten lesen und verstehen noch weniger.
    Wir verließen Remagen ohne Probleme und ritten schnell über den Nordweg, damit uns Schwierigkeiten nicht einholten, wenn sich doch noch welche ergaben. Bauernhöfe, Wälder, vom Krieg unberührte Dörfer – es war schön, mit der Sonne im Rücken durch ein solches Land zu reiten. Es erinnerte mich an Ankrath, an Hütten mit Dächern aus goldenem Stroh, an blühende Obstgärten. Alles so anfällig, alles so leicht zu zerstören.
    »Dem Himmel sei Dank, dass du nicht zu viel vom Zirkus verbrannt hast, Gog«, sagte ich.
    »Das Feuer tut mir leid, Jorg«, sagte Gog hinter mir.
    »Es hat keinen großen Schaden angerichtet«, erwiderte ich. »Außerdem, die Geschichten, die man darüber erzählen wird, locken bestimmt mehr Menschen zu den Vorstellungen.«
    »Hast du die kleinen Männer gesehen?«, fragte Gog.
    »Die Liliputaner?«, fragte ich.
    Ich spürte Gogs Krallen. »Meine kleinen Männer, aus dem Feuer.«
    »Ich habe sie gesehen«, sagte ich. »Sie schienen dich hineinziehen zu wollen.«
    »Gorgoth hat sie daran gehindert«, sagte Gog. Ich wusste nicht, ob er deshalb traurig war oder sich darüber freute.
    »Es ist gut, dass du hiergeblieben bist«, sagte ich. »Du musst mehr lernen. Damit du weißt, wie du sicher sein kannst. Damit du in der Lage bist, zurückzukehren. Deshalb reiten wir zu Ferrakind. Er kann dich diese Dinge lehren.«
    »Ich kann in ein Feuer sehen und aus einem anderen blicken«, sagte Gog. »So Sachen.« Er lachte leise darüber, und für einen Moment klang er wie William, wie er an jenem Morgen gelacht hatte, als wir in die Kutsche geklettert waren.
    »Hat er dich gesehen?«, fragte ich.
    Ich fühlte

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