König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
beschlossen hatte, sich meiner Führung anzuvertrauen, war er zu einem Lehrer geworden. Nicht mit Büchern und Karten wie Lundist, sondern auf die hintergründige, indirekte Art und
Weise des Nubiers, auf die Art und Weise, die einem unter die Haut kriecht, mit gutem Beispiel verändert.
Vier Tage von Remagen entfernt fand uns ein Unwetter in der Ebene, ein kalter Sturm mit all der Gemeinheit, zu der das Wetter im Frühling fähig ist. Von Regen gepeitscht ritten wir zu einem Ort namens Endlos, über Wege, die sich in Bäche verwandelten. Irgendein Adliger nennt Endlos vermutlich sein Eigen, aber welche Männer auch immer er damit beauftragt hatte, darüber zu wachen, in dieser Nacht hatten sie Besseres zu tun. Die Hufe unserer Pferde klapperten übers Kopfsteinpflaster der Hauptstraße, ohne dass sich uns jemand in den Weg stellte, und schließlich erreichten wir einen Stall, vor dem eine einzelne Laterne hing, hinter dem kleinen Wasserfall, der sich vom Dachvorsprung ergoss. Der Stallmann erlaubte es Gog und Gorgoth, bei den Pferden zu bleiben. Wenn wir sie zu den braven Bürgern von Endlos mitgenommen hätten, wäre es vielleicht zu einem Gemetzel gekommen.
»Morgen früh reiten wir weiter«, teilte ich dem Stallmann mit, einem hageren Burschen mit Pockennarben, allerdings nur auf der einen Seite, als hätten es die Pocken nicht geschafft, auch die andere Seite zu befallen. »Wenn ich zurückkehre und Gaffer vorfinde, die meine Ungeheuer anstarren, so lasse ich dir vom Großen die Beine ausreißen. Verstanden?«
Er verstand.
Wir legten unsere nassen Mäntel in einer namenlosen Taverne ab und saßen dampfend vor einem kalten Kamin, während uns das Serviermädchen Bier holte. Der Schankraum war voller feuchter, schwitzender Männer, hauptsächlich Holzfäller, einige von ihnen stinkbesoffen; anderen stanken einfach nur. Wir zogen Blicke auf uns, nicht wenige davon feindselig, aber
keiner von ihnen verweilte lange auf uns, wenn wir sie erwiderten.
Sim hatte seine Harfe dabei, ein verbeultes, verschrammtes Ding, aber von Qualität, einst aus einem sehr reichen Haus gestohlen. Er hatte sie aus der Satteltasche gezogen und mit der Vorsicht ausgewickelt, die er sonst nur bei Waffen walten ließ. Als unser Bier kam, zupfte er an den ersten Saiten. Flinke Finger hatte er, unser Sim, sie waren schnell und klug, und die Töne flossen schnell genug, um zu einem Fluss zu werden.
Als ich in mein Bett in der Herberge auf der anderen Straßenseite wollte, war das Unwetter vorbei. Sim und Makin hatten die Hälfte der Einheimischen dazu gebracht, »Zehn Könige« zu singen, und Sims helle, klare Stimme folgte mir durch die Tür, übertönte den tieferen Refrain und Makins enthusiastischen Bariton. Klänge von »Die dumme Dame« drangen durchs Fenster, als ich unter die Decke kroch, zu den Wanzen, die dort bereits auf mich warteten. Wenigstens war das Bett trocken. Die Knittelverse eines Liedes namens »Merican Pie« begleiteten mich in den Schlaf.
Ich erwachte viel später in den stillen Stunden der Nacht, noch immer von dem Lied umhüllt, obwohl seine Melodie längst dem Schnarchen der Brüder gewichen war.
Chevylevy was dry .
Mondschein fiel durchs Zimmer und zeigte mir zwei Gestalten in der Tür – eine stützte die andere. Makin blieb stehen, um die Tür zu schließen. Sim humpelte weiter. Mit seinen Bewegungen stimmte etwas nicht.
»Probleme?« Ich setzte mich auf, noch immer das Bier im Kopf.
My, my, missamerican pie .
Ich hätte nicht sagen können, warum ich wegen zwei betrunken
hereintorkelnder Brüder Probleme vermuten sollte, aber ich wusste plötzlich, dass sich ein Problem ergeben hatte.
Makin drehte sich und öffnete die Klappe der Laterne, die er mitgebracht hatte. »Hab ihn auf der Straße gefunden«, sagte er. »Vor einer Stunde hab ich ihn mit fünf Einheimischen allein gelassen, den letzten Leuten in der Taverne.«
Sim sah auf. Sie hatten ihn übel zusammengeschlagen: die Lippen geplatzt und angeschwollen, ein halber Zahn weg, ein Auge voller Blut. Und so, wie er sich bewegte, würde er wahrscheinlich eine Woche rosarot pinkeln. Ja, etwas an seinen Bewegungen deutete auf andere Arten von Schmerz hin.
»Sie haben mir die Harfe genommen, Bruder.« Er zeigte die leeren Hände. Es war einige Zeit her, dass mich Sim Bruder genannt hatte. Ich fragte mich, was ihm sonst noch genommen worden war.
Ich trat Rike an den Kopf. »Aufstehen!« Kent und Grumlow waren bereits wach. »Aufstehen!«, sagte
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