Koenig der Murgos
und kroch durch das Gras, gefolgt von Garion.
Die Wiese war noch feucht von den langen Tagen dicken Nebels, und als sie die vor Blicken schützenden Schatten des Waldrands erreichten, waren sie beide trief naß.
»Also Spaß macht mir das nicht«, wisperte Garion leicht verärgert.
»Du wirst schon nicht aufweichen«, flüsterte Silk zurück.
Dann hob er den Kopf und spähte durch die Bäume. »Tragen diese Leute Augenbinden?« fragte er.
»Es sieht ganz so aus«, erwiderte Garion.
»Das würde bedeuten, daß sie Seher sind, nicht wahr? Da wir im Dorf keine bemerkt haben, könnte es sein, daß sie im Wald leben. Versuchen wir, ein wenig näher heranzukommen.
Ich muß zugeben, meine Neugier wächst.«
Die Dorfbewohner, immer noch mit brennenden Fackeln, marschierten mehrere hundert Meter durch den feuchten Wald und hielten auf einer großen Lichtung an. Um ihren Rand stand eine Reihe grobbehauener Steine, jeder etwa von doppelter Mannshöhe. Die Dorfbewohner stellten sich zwischen diesen Steinen auf und bildeten so einen fackelerhellten Kreis. Die Seher mit den Augenbinden, zwölf an der Zahl, gingen in die Mitte. Sie faßten sich an den Händen und bildeten einen kleineren Kreis. Hinter jeden Seher trat ein hochgewachsener, kräftiger Mann – ihre Führer und Beschützer, nahm Garion an. Und direkt in der Mitte dieses Kreises standen der silberhaarige Vard und der Hüne Toth.
Garion und Silk krochen näher.
Das einzige Geräusch auf der Lichtung war das Knistern der Fackeln. Dann fingen die Leute zu singen an, leise zunächst, doch allmählich kräftiger. In vieler Hinsicht glich ihr Gesang den dissonanten Hymnen der Ulgoner, es gab jedoch gewisse Unterschiede. Obgleich Garion nicht sehr viel von Musik verstand, erkannte Garion, daß diese Hymne älter und vielleicht unverfälschter war als jene, die seit fünf Jahrtausenden in den Höhlen des Ulgolandes gesungen wurde. In plötzlicher Einsicht verstand er auch, wie die langen Jahrhunderte verzer-renden Widerhalls die Hymne der Ulgoner allmählich verändert hatten. Dieser Gesang hier galt außerdem nicht UL, sondern einem unbekannten Gott, und das Singen war ein Flehen, dieser namenlose Gott möge Gestalt annehmen und erscheinen, um die Daler zu leiten und zu beschützen, so wie UL die Ulgoner leitete und beschützte.
Dann hörte oder spürte er einen anderen Laut, der sich mit dieser unvorstellbar alten Hymne verband. Ein eigenartiges Seufzen in seinem Kopf verriet ihm, daß diese Menschen in ihren seltsamen Kreisen ihren Willen in einer mystischen Begleitung zu dieser Hymne sammelten, die ihre Stimmen zum Sternenhimmel trugen.
In der Mitte der Lichtung entstand ein Schimmern, und die leuchtende Gestalt Cyradis' erschien. Sie trug ein linnenes weißes Kapuzengewand, und eine Binde verbarg ihre Augen.
»Wo kommt sie so plötzlich her?« fragte Silk erstaunt.
»Sie ist nicht wirklich hier«, flüsterte Garion. »Es ist eine Übertragung. Hör jetzt lieber zu!«
»Willkommen, heilige Seherin«, begrüßte Vard das schei-nende Abbild. »Wir sind dankbar, daß Ihr unserem Ruf gefolgt seid.«
»Die Dankbarkeit ist unnötig, Vard«, erklang die klare Stimme des Mädchens mit den verbundenen Augen. »Ich er-fülle die Pflicht, die mir meine Aufgabe auferlegt. So sind die Sucher denn angekommen?«
»Ja, heilige Cyradis«, antwortete Vard, »und jener, der Belgarion genannt wird, hat gefunden, was er hier suchte.«
»Die Suche des Kindes des Lichts hat erst begonnen«, erklär-te die Erscheinung. »Das Kind der Finsternis hat die ferne Kü-
ste Malloreas erreicht und ist bereits auf dem Weg zum Hause Toraks in Ashaba. Die Zeit ist gekommen, daß der Ewige das Buch der Äonen öffnet.«
Varda wirkte besorgt. »Ist das klug, Cyradis? Vielleicht ist es selbst für den ehrwürdigen Belgarath zuviel, als daß man ihm das anvertrauen kann, was er in diesem Werk finden mag?
Sein ganzes Leben hat er nur einem der zwei Geister gewidmet, die über alles herrschen.«
»Es muß sein, Vard, sonst kommt die Begegnung zwischen dem Kind des Lichts und dem Kind der Finsternis nicht zur vorbestimmten Zeit zustande, und unsere Aufgabe bleibt un-vollendet.« Sie seufzte. »Die Nacht ist nicht mehr fern. Das, worauf wir seit Beginn des Ersten Zeitalters warten, nähert sich nun rasch, und alles muß erledigt sein vor dem Augenblick, in dem ich jene Aufgabe durchführe, die uns durch all diese schier endlosen Jahrhunderte auferlegt war. Gebt Belgarath dem Ewigen das Buch
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