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König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

Titel: König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Winkler
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Nach ein paar Sprüngen vielleicht, nach Tänzen und Pirouetten? – Im Rittersaal? – In der Küche vorm Ofen. – An Ihrer Hand? – An meiner Hand! Der Reisende hebt mich auf und steigt, mit mir in den Armen, tapfer über alle Kastanien hinweg. Auch die verfärbten Blätter sind ihm kein Hindernis. Was von mir noch da ist, baumelt friedlich im Wind, den die raschen Schritte des Reisenden herbei zaubern. Vorbei geht’s, noch einmal, an Parkbänken, Häuserfassaden, Zebrastreifen, lebendigen Zäunen, nassen Taschentüchern und geknickten Tulpenköpfen. Gaudeamus Igitur! Wann werden wir endlich in die Küche und zum Ofen kommen? Zum letzten Tropfen Wein in der Flasche unterm Tisch? Wo jemand noch einmal das Gedicht vom Sieb rezitiert und das Fenster öffnet. Musik singt herein, und der Reisende und ich rauschen so lange durch die letzte Feststunde, bis sich der Schal um meinen Unterleib löst und Jakob ihn über seinem Kopf wie ein Lasso durch die Luft schwenkt. Jakob, ich will aber schlafen und für heute kein Mundschenk mehr sein. Der Reisende lacht und streicht mir ein Haar aus der Stirn, und dabei fällt mir Professor Icks ein, dem ich, was auch immer, immer wieder werde sagen mögen und nicht können. Nicht können, nicht können. Was das überhaupt heißen soll. Weißt Du es Jakob, lieber Jakob? Ich kann nichts mehr schreiben, nicht einmal eine Träne kann ich auf eine Serviette zeichnen (die Taschentücher sind aus) und zu Dir schicken. Mein Ausflug ins wirkliche Leben hat mich so erschöpft, dass ich sogar in den Armen des Reisenden einschlafen würde. (Er muss mir die Antwort auf die Frage ins Ohr flüstern, was so ermüdend daran sei, Zaungast zu sein. Himmel, es wurde ja nur Geige gespielt, weiter nichts. Gaudeamus Igitur.)

XII.
    Die Scheiben der Fenster hier im Hörsaal sind nicht weiter schmutzig. In meiner Vorstellung kann ich mich sogar auf die Fensterbank setzen, in Wirklichkeit werde ich mich davor hüten, denn hinaus stürzen mag ich nicht. Alle Ehre der Welt für die wunderbaren Kräfte meines Reisenden, aber die Gesetze der Schwerkraft aufzuheben, ist womöglich nicht einmal ihm gegeben und da unten meinen Kopf zerschmettert sehen – nein danke, an solchem Aufsehen liegt mir nichts. Ein Hofnarr, wer denkt, ein zerschmetterter Kopf würde hier Aufsehen und Aufhören bewirken? Die Wenigen, die wie ich in der vorletzten Reihe sitzen, haben den Kopf auch besser in die Hände gelegt und die Ellbogen auf dem Tisch aufgestützt. Irgendjemand, wahrscheinlich Justin, hat sogar, wie in der Volksschule, ein Namensschild vor sich hingestellt, was mich heimlich in meine Brust hineinprusten lässt. Und vorne am Pult steht Professor Icks und kommentiert die Prüfungsarbeiten, die er zurück gibt. »Einige von Ihnen sitzen hier nur herum, weil der viele Stoff in andern Fächern sie restlos in den Abgrund ihrer Kräfte schleudern würde, in die ausgetrockneten Säfte einer mehr illusorischen als wahrhaftigen Leidenschaft. Ich habe Ihnen zu Beginn gesagt, es soll hier nicht länger eingeschrieben bleiben, wer hinsichtlich der eigenen Eignung unsicher ist und zweifelt. Aber schauen Sie nicht gleich wieder so kummervoll. Es konnten fast alle Arbeiten positiv bewertet werden.« Professor Icks verliest Namen und Noten, und jeder Name, jede Note verdeutlicht die seltene Stille. »Lina Lorbeer! Wer ist Lina Lorbeer?« Ich hebe den Arm, Professor Icks schaut mich an. »Das ist ein Name, den man sich merken muss.« Professor Icks? Professor Icks? Hat er vergessen, dass er im Korridor weiß, wer ich bin, das heißt, sich daran erinnern kann, welchen Namen ich trage? Hab ich’s mir eingebildet? »Heute, Lina Lorbeer, sind Sie guter Dinge, das letzte Mal, als wir uns über den Weg liefen, schienen Sie ja aus allen Wolken gefallen. Ich bitte Sie zu mir in die Sprechstunde.« Ich lehne mich in Professor Icks’ Büro an die Regale, wahrscheinlich streift mein Haar einen der Buchrücken, während meine Hände nicht wissen, was sie hier anfangen sollen. Nichts und niemand zwitschert hier von den Wänden einen schönen Satz ins Zimmer, nur ein paar Schwarz-Weiß-Postkarten mit den sehr klaren Profilen von Gesichtern bringen etwas Farbe und Kontur hier herein. Auch das Sofa fehlt. »Wir wollen schweigen, nicht wahr, Lina Lorbeer, wir wollen schweigen. Ihre Handschrift war so unleserlich, dass ich trotz größter Mühe nur ein paar Sätze entziffern konnte, die Passage vom Märchen. Wie auffällig mich Ihre Unscheinbarkeit

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