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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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geeigneter Platz, um dir zu erzählen, was ich herausgefunden habe.«
    Sofort schüttelte Heinrich seine Müdigkeit ab. »Gibt es schlechte Nachrichten?«
    Zenon schüttelte den Kopf. »Ich habe einen Kodex gefunden, in dem die Vita Eustorgii, die Lebensgeschichte des heiligen Bischofs aus Mailand, niedergeschrieben ist. Dort wird erzählt, dass die heilige Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin, die Gebeine der Drei Könige im Heiligen Land gefunden und hierhergebracht habe. Ich kenne die Geschichte der heiligen Helena recht gut, doch davon, dass sie die Drei Könige fand, habe ich nie zuvor gehört. Ich werde in den nächsten Tagen noch Zugang zu einigen Texten über das Leben Helenas suchen. Was die zweite Geschichte angeht, so weist nichts darauf hin, dass Zenon die Gebeine der Heiligen einem Barbarenfeldherrn geschenkt hat. Ich werde mich aber darum bemühen, in die Bibliothek des Palastes vorgelassen zu werden, um dort meine Suche zu vertiefen. Über alle Geschenke, welche die Kaiser gemacht oder erhalten haben, gibt es dort umfassende Listen. Wenn die Drei Könige jemals nach Italien verschenkt wurden, so wird es dort niedergeschrieben stehen. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass ein Kaiser diese kostbaren Reliquien fortgegeben hätte. Es sei denn, es hätten begründete Zweifel an ihrer Echtheit bestanden.«
    »Du meinst, die Byzantiner hätten von Anfang an gewusst, dass etwas mit den Reliquien nicht stimmt?«
    »So würde ich es nicht sagen«, entgegnete der Mönch zögernd. »Aber falls sie gewusst haben, dass mit den Reliquien
etwas nicht in Ordnung ist, wäre es eine Erklärung, warum sie an einen barbarischen Verbündeten verschenkt worden sind.« Zenon seufzte. »Jede Antwort wirft neue Fragen auf. So ist es stets, wenn man in den Büchern forscht. Ich werde dir einen Boten schicken, sobald ich etwas Neues herausgefunden habe.«
    Der Mönch machte Anstalten, sich abzuwenden.
    »Aber ich könnte dir helfen! Ich habe lesen und schreiben gelernt und spreche auch Latein.«
    »Ich kann auch ein Schwert in die Hand nehmen und würde mich deshalb nicht Ritter nennen«, entgegnete Zenon, und wieder klang seine Stimme voller Spott. »Verstehe mich recht, mein Freund. Für einen Barbaren und Krieger bist du wirklich recht gebildet.« Ihr Weg hatte sie durch gewundene Gassen zurück zur Sophienkirche geführt. Heinrich hasste diese Stadt. Er fühlte sich oft hilflos wie ein Kind, das sich im Wald verlaufen hatte. Die dunklen, nach Pisse stinkenden Häuserschluchten sahen für ihn alle gleich aus. Und es gab niemanden, den er nach dem Weg fragen konnte. Wenn er den Mund aufmachte, konnte er bestenfalls mit einem abfälligen Blick rechnen.
    Zenon nickte zum Abschied. »Übrigens, wenn deine Gefährten und du eine Herausforderung wollen, beleidigt einen sarazenischen Faris. Man sagt, sie wären die besten Schwertkämpfer unter Gottes Sonne.«
    Der Mönch trat durch das hohe Portal der Sophienkirche. Wütend blickte Heinrich ihm nach. Zenons überhebliche Art reizte ihn zunehmend. Es war an der Zeit, mehr über diesen aufgeblasenen Besserwisser zu erfahren! Kurz entschlossen folgte er dem Griechen. Die Sophienkirche war ein fremdartiger Bau mit Kuppeldecke und einer weiten
Halle. Ein wenig erinnerte sie ihn an Sankt Gereon in Cöln, wenn sie auch viel größer und prunkvoller war. Trotz der späten Stunde erfüllte das leise Gemurmel der Gläubigen die gut besuchte Kirche.
    Heinrich folgte Zenon in etwas mehr als zehn Schritt Abstand und achtete darauf, möglichst im stetigen Strom der Kirchgänger, die kamen und gingen, verborgen zu bleiben. Der Mönch sah sich nicht ein einziges Mal nach ihm um.
    Zenon schritt geradewegs auf eine Gruppe von Ordensbrüdern in schwarzen Kutten zu. Einen Moment lang konnte Heinrich ihm noch mit Blicken folgen, doch dann war er zwischen den anderen Mönchen verschwunden, beinahe wie ein Zauberer, der sich in Luft auflösen konnte.
     
    Lupo der Falkner lehnte sich an die breite, marmorgefasste Brüstung und blickte über die Bucht. Es war ein warmer Sommernachmittag. Leichter Dunst lag über dem Wasser. Das Goldene Horn war voller Segel. Es gab Kauffahrer, die von Ruderbooten gegen die Strömung durch die Meerenge geschleppt wurden, und arabische Schiffe, die mit ihren weit geschwungenen dreieckigen Segeln an Schwalben erinnerten, die über das Wasser hinwegglitten. Auch ein großes Kriegsschiff mit zwei übereinandergelegenen Ruderdecks ankerte hier wie ein an die Kette

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