Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
das Schwert sinken und tastete nach seinem Gesicht.
Mit einem Satz war Rother aus dem Sattel. »Nehmt mein Pferd, Herr! Schnell! Ihr müsst fort von hier!« Ohne auf eine Antwort zu warten, ergriff er die Rechte des Kaisers und legte sie auf den Sattelbogen der Stute. »Zieht Euch hoch, Herr. Ihr seid zu schwer für mich. Ich kann Euch nicht in den Sattel heben!«
»Rother?«, flüsterte der Herrscher benommen.
»Bitte, Herr …« Ein Schwertkämpfer versetzte der Stute einen tiefen Stich in die Flanke. Sie stieß ein klagendes Wiehern aus und stolperte einen Schritt nach vorne. Endlich spannte sich der Arm des Kaisers. Barbarossa zog sich in den Sattel.
Reiter drängten heran. Einer der Männer riss Rother die Zügel aus den Händen. Es waren Kaiserliche! Sie schirmten den Herrscher mit ihren Schilden ab und brachten ihn zum Eingang des Hohlwegs zurück, als Rother ein harter Schlag auf den Kopf traf. Es war, als habe man ihm den Boden unter den Füßen weggezogen. Er stürzte. In seinen Ohren tönte ein Fiepen wie von Ratten. Das Letzte, was er sah, war ein vertrautes Gesicht. Ein Gesicht, das nicht hätte hier sein dürfen! Dann wurde alles schwarz um ihn herum.
»Rother …« Die Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen. Als der Junge die Augen aufschlug, erblickte er ein Meer aus goldenen Wolken. Tränen traten ihm in die Augen.
Heinrichs Gesicht schob sich vor die Wolken. »Die Kämpfe sind vorüber. Wir haben gesiegt.«
Rother wollte etwas fragen, doch er brachte nur ein Röcheln
hervor. Er hatte einen bitteren, metallischen Geschmack im Mund.
Heinrich stützte ihn auf und hielt ihm einen Wasserschlauch an die Lippen. »Trink vorsichtig …«
Ohne auf seinen Freund zu hören, schluckte er gierig. Noch nie hatte er etwas Köstlicheres getrunken, als dieses abgestandene, lauwarme Wasser.
»Ludwig war beim Kaiser«, berichtete Heinrich. »Er hat ihn mit seinen Truppen hierhergeführt. Gerade noch rechtzeitig.« Dann zögerte der Ritter für ein paar Momente. »Anno haben sie übel zugerichtet. Aber nichts, was er nicht überstehen würde. Ein Speer hat ihm den Schildarm durchbohrt. Außerdem hat er zwei tiefe Schnitte in die Beine abbekommen.« Heinrich verstummte wieder. Als er fortfuhr, hatte seine Stimme einen anderen, viel dunkleren Klang. »Ich glaubte schon, du wärest tot. Seit mehr als einer Stunde habe ich dich gesucht.«
Rother versuchte sich aufzurichten, doch seine Glieder gehorchten ihm nicht. Stöhnend sank er zurück.
»Sieht so aus, als müsste ich deine Amme spielen und dich ins Lager tragen.« Heinrich lachte kurz auf. »Vielleicht ist dein linker Arm gebrochen.« Er tastete über Rothers zerrissenes Kettenhemd.
Der Junge drehte das Gesicht zur Seite, damit sein Freund nicht sah, wie ihm vor Schmerz Tränen in die Augen stiegen. Neben ihm lag der himmelblaue Ritter am Boden, den er mit dem Schwerthieb ins Genick getötet hatte. Er lag auf die Seite gedreht, so dass Rother sein Gesicht nicht sehen konnte.
Überall auf dem Schlachtfeld streiften Waffenknechte umher, die nach gefallenen Freunden suchten oder die Toten
ausplünderten. Auf dem Weg hinter Rother erklang das Donnern von Hufen. Vermutlich einer der Reichsfürsten, der mit seinen Rittern besorgt zum Schlachtfeld des Kaisers geeilt war.
Die Reiter hielten. Heinrich ließ Rothers Arm plötzlich los und richtete sich stocksteif auf.
»Mein junger Freund …«
Rother fuhr erschrocken herum. Er hatte diese Stimme zwar noch nicht oft gehört, doch er würde sie unter Hunderten wiedererkennen. Der Kaiser!
Barbarossa wurde nur von zwei Leibwachen begleitet, die misstrauisch die gefallenen Mailänder ringsumher musterten, so als fürchteten sie, jeden Moment könnte einer der Toten sich erheben und den Kaiser angreifen. Friedrich hatte den Helm am Sattel aufgehängt. Ein blutgetränkter Verband war um seine Stirn gewunden. Dunkle Ringe malten sich unter seinen Augen ab. Doch sein Bart schimmerte im goldenen Abendlicht fast wie eine ersterbende Flamme. »Ihr habt mein Leben gerettet, Rother. Ich bin gekommen, Euch zu danken.« Er lächelte. »Ein Titel und ein Lehen sind mein Geschenk, das uns bis ans Ende unserer Tage miteinander verbinden wird, Rother, Baron von Linn. Von heute an habt Ihr das Recht, ein eigenes Wappen zu führen.«
Rother glaubte im Fiebertraum zu liegen. Sein Herrscher redete mit ihm wie mit seinesgleichen! Unfähig, eine Antwort zu geben, starrte er den Kaiser an.
»Mein Wundarzt wird sich um Euch
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