Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
staufischen Plünderern Einlass zu gewähren, auf dass sie unsere Frauen schänden und die Männer schlachten wie Vieh?«
Lupo dachte an Crema. Sie hatten sich zuletzt der Übermacht der Kaiserlichen ergeben müssen. Doch Mailands Mauern waren immer noch fest, und es gab mehr als genug
Männer, sie zu verteidigen. Wären die Vorratslager nicht abgebrannt, dann würde Friedrich die Stadt niemals erobern können. Zumal es Gerüchte über einen offenen Streit zwischen dem Erzkanzler und dem Bruder des Kaisers gab. Immer mehr staufische Ritter hatten den Herbst über das Heer verlassen und waren nach Hause gezogen. Auch die verfluchten Staufer würden nicht mehr lange durchhalten.
Dennoch konnte kein Zweifel bestehen, dass der Wille Mailands früher gebrochen sein würde, wenn ihnen nicht noch eine besondere List einfiele. Unwillkürlich tastete Lupo nach der Kette an seinem Hals. Dort trug er, verschlossen in einem Elfenbeinkästchen, jene Rosenblüte, die er in den Ruinen seiner Heimatstadt gefunden hatte. Vielleicht gab es doch noch Hoffnung.
Der Erzbischof schaute ihn ratlos an. »Ihr glaubt wohl nicht, dass Friedrich ein gnädiger Sieger wäre?«, fragte er leise.
Lupo dachte an das Massaker von Crema. »So gnädig wie ein Wolf, der ein Lämmlein bei der Kehle packt! Aber vielleicht gibt es doch noch einen Weg, den Kaiser zum Frieden zu zwingen.«
Der Erzbischof zog überrascht die Brauen in die Höhe. »Woran denkst du, Falkner?«
»Wir müssen ihm etwas bieten, das ihm kostbarer ist als die Stadt Mailand. Machen wir aus dem Frieden etwas, womit sich die Konsuln besonders auskennen. Ein Geschäft, das er nicht ausschlagen kann!«
»Und welche Ware soll das sein, die wir dem Kaiser bieten? Was ist kostbarer als eine ganze Stadt?«
Der Falkner strich sich nachdenklich über das Kinn. »Was glaubt Ihr, wie viele Reiter Mailand noch aufbieten kann?«
»Vielleicht fünfhundert. Aber sie bringen keinen Nutzen. Alle Tore sind bewacht. Bevor wir eines der großen Heerlager im Hinterland erreichen, hätten die Staufer genügend Truppen zusammengezogen, um uns zurückzuschlagen.«
»Betet um Nebel oder um eine mondlose Nacht mit wolkenverhangenem Himmel. Dann werde ich mit diesen Reitern etwas holen, was dem Kaiser sehr am Herzen liegt, viel mehr als eine Stadt wie Mailand.«
Rother war auf das Baugerüst am Tor der Kaiserpfalz gestiegen. Am Nachmittag hatten die Steinmetzen den keilförmigen Schlussstein in den hohen Bogen des Tors eingefügt. Bald würden sie das Gerüst abreißen. Rother kam gern hierher. Man konnte den ganzen Hof übersehen und blieb dabei selbst hinter den massiven Balken des Gerüsts verborgen.
Kalter Wind zerrte am Umhang des jungen Barons. Es würde bald Regen geben. Sein Arm schmerzte. Nach der Schlacht beim Kloster hatte der Leibarzt des Kaisers Rother den Arm mit dünnen Holzlatten geschient und mit festem Wollstoff umwickelt. Der Verband war in der Hitze eine Qual gewesen. Zwei Monate waren vergangen, bis er in Übungskämpfen wieder einen Schild führen konnte. Zwei Monate, in denen die Hitze die Kraft aus seinen Muskeln geschmolzen hatte. Und nun war es Dezember geworden. In acht Tagen würde man das Christfest feiern, aber die Kämpfe um Mailand dauerten unvermindert an.
Der Wind rüttelte an den Balken des Gerüsts. Dunkle Wolken eilten über den Himmel. Es war schon fast so finster wie zur Mitternacht, dabei war noch nicht einmal eine Stunde vergangen, seit die Kaiserin ihr Abendmahl eingenommen
hatte. Der weite Hof der Pfalz lag wie ausgestorben. Nur bei der Kapelle und vor dem Tor zur großen Halle brannten Fackeln, deren Flammen wild im Wind tanzten. Die Fenster der wenigen Gebäude, die schon fertiggestellt waren, hatte man zu Beginn des Winters mit schweren Holzläden verschlossen, so dass auch von dort kein Licht auf den Hof fiel.
Seit der Kaiser im August den Belagerungsring um Mailand enger gezogen hatte, war es still geworden in Lodi. Das bunte Heerlager auf den Wiesen rings um die Pfalz war verschwunden. Mittlerweile prägten die kaiserlichen Ministerialen das Bild der Pfalz. Sauertöpfische Schreiber und Hofbeamte, eine Handvoll Mönche, von denen keiner dem Archipoeta das Wasser reichen konnte, und die Kaiserin mit ihrem Gefolge, das war alles, was in Lodi geblieben war. Dazu kamen Köche, Gesinde und die paar Ritter und Waffenknechte unter Rothers Kommando. Wenn man alle zusammenzählte, konnte er über fünfzig Mann unter Waffen gebieten. Doch nicht
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