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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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der wie ein Gepäckstück zusammengesunken auf dem Rücksitz lag.
    »Flugmaschine im Anflug«, meldete ihnen die Steuerung der Limousine mit ihrer weiblichen, ein wenig summenden Stimme. Soulavier wurde schlagartig lebendig und spähte durchs Seitenfenster hinaus. Mary lehnte sich zurück, um auf der anderen Seite hinauszuschauen.
    »Wie ist ihr Rufzeichen?« fragte Soulavier und gab Mary mit einem Achselzucken zu verstehen, daß er nichts sehen konnte.
    »Sie hat kein Rufzeichen«, antwortete die Limousine. »Es ist ein Iljuschin-Mitsubishi-125- Helikopter.«
    »Ist er in der Nähe?«
    »Zwei Kilometer entfernt, und er kommt näher.« Die Limousine erstieg den Rand des Tales, von wo aus man Tausend Blumen sehen konnte. Sie bog von der Straße in dichtes Unterholz ab und schaltete die Scheinwerfer aus. Das Geräusch ihres Elektromotors änderte die Tonhöhe. Das Fensterglas beschlug einen Moment lang, als der Wagen seine scheinbare Temperatur reduzierte, um sie derjenigen des Buschwerks und der Erde in der Umgebung anzugleichen. »Er fliegt in einer Höhe von dreihundertzwölf Metern in Richtung Gefängnis. Er hat einen menschlichen Piloten.«
    »Dominikaner«, sagte Soulavier mit Nachdruck. »Colonel Sir hat diesem Zweig der Streitkräfte keine automatischen Fahrzeuge gegeben, und es gibt keinen Grund, warum eine solche Maschine so weit von ihrer Basis entfernt sein sollte. Das bedeutet, daß die Dinge schlecht stehen. Wir können nicht mit unseren Truppen sprechen, sonst entdeckt uns der Helikopter. Wir werden nicht hierbleiben… Und wir werden auch nicht auf die Ebene hinausfahren. Es gibt eine kleine Stadt in der Nähe, wo wir uns eine Weile verstecken können… Die Stadt, in der ich geboren wurde.«
    Mary starrte ihn an.
    »Ja«, sagte er. »Ich bin von Geburt Dominikaner. Aber ich lebe seit meiner Jugend in Port-au-Prince.« Er wandte sich an die Steuerung. »Bring uns nach Terrier Noir, sobald der Helikopter vorbeigeflogen ist.«
    Mary warf einen Blick auf Ephraim Ybarra und sah, daß seine Augen einen Spaltbreit offen waren. Die Pupillen bewegten sich, ohne etwas zu sehen. Ein Speichelfaden hing von seinem Mundwinkel herab. Sie wischte ihn mit einem weichen Tuch weg. Seine Augen schlossen sich wieder, und er schnaufte ein wenig. Sein rechter Arm zuckte.
    »Da ist er«, sagte Soulavier und zeigte durch die Windschutzscheibe hinaus. Der helle Strahl eines Suchscheinwerfers beleuchtete den Boden kaum zwanzig Meter von der Stelle entfernt, wo die Limousine von der Straße abgebogen war. Mary fragte sich, ob es einen Putsch gegeben hatte und ob Colonel Sir abgesetzt worden war. Konnte es sein, daß dieser Helikopter im Auftrag der amerikanischen Regierung nach ihnen suchte? Sie beobachtete Soulavier genau. Er hatte keine Angst. Wenn überhaupt, schien er jetzt, wo er seine Entscheidung getroffen hatte, ruhiger zu sein und sich besser in der Hand zu haben.
    Der Suchscheinwerfer zuckte davon, und der Helikopter tauchte ins Tal hinunter und blieb über dem Gefängnis in der Luft stehen. Sie hörten undeutlich, wie die Lautsprecher des Helikopters auf Kreolisch Forderungen stellten.
    »Die suchen nicht nach uns«, sagte Soulavier. »Vielleicht sind sie hier, um andere ausländische Häftlinge zu befreien. Oder politische Gefangene…«
    »Es gibt also politische Gefangene in Tausend Blumen?« fragte Mary.
    »Nicht aus Hispaniola. Sie werden damit drohen, die Gefangenen aus anderen Ländern zurückzuschicken, wenn keine neue Regierung eingesetzt wird… Das ist schon zweimal passiert, und Colonel Sir hat die Forderungen jedesmal zurückgewiesen.«
    Mary schüttelte erstaunt den Kopf. Mehr denn je sehnte sie sich nach den vertrauten Zügen von Los Angeles, wo sie die Regeln kannte und die Überraschungen halbwegs regelmäßig vorausahnen konnte.
    Schüsse klangen aus dem Tal herauf, sirrende Salven von Knall- und Zischlauten.
    »Los!« befahl Soulavier der Limousine. Der Motor wechselte wieder die Tonlage, und die Limousine fuhr rückwärts auf die Straße hinaus. Mary langte mit beiden Händen nach hinten, um zu verhindern, daß der Kopf des Häftlings schmerzhaft hin und her rollte, als der Wagen im Slalom geschickt um enge Bergkurven schoß.

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    Terrier Noir war nach dem großen Erdbeben wiederaufgebaut und vergrößert worden. In einem flachen Bergtal erstreckten sich weiße Stahlbetonbauten und stabile Holzhäuser zu beiden Seiten des schmalen schwarzen Bandes eines Aquädukts, wo

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