Koenigin der Meere - Roman
war’s schon.« Patrick Carry brachte den letzten Stoffballen nach oben. Er hatte den Laderaum bis in den letzten Winkel durchsucht. Anne runzelte die Stirn.
»Das ist zu wenig für so ein großes Schiff. Da muss noch etwas versteckt sein. Sie übergab Carry die Bewachung der französischen Matrosen und ging mit Mary unter Deck. Gemeinsam durchsuchten sie die Kabinen der gefangenen Frauen.
»Die nehmen wir mit! Wer weiß, wofür wir sie brauchen können.« Sie hielt zwei Seidenkleider hoch. Mary lachte.
»Ich kann mich kaum noch erinnern, wann ich das letzte Mal ein Kleid getragen habe.« Sie dachte an Foster und was er für ein Gesicht machen würde, wenn er sie in einer solchen Robe zu Gesicht bekäme.
Annabelles Kabine war am luxuriösesten ausgestattet. Beim Anblick des feinen Waschgeschirrs und der silbernen Bürsten und Kämme leuchteten Annes Augen. Sie öffnete eine Truhe und fand das über und über mit Perlen bestickte Brautkleid.
»Das alleine ist der Mühe wert gewesen. Guck dir die Perlen an. Jede einzelne ist ein Vermögen wert.« Sie hielt Mary das Kleid entgegen, doch deren Blick war fest auf eine Kommode geheftet.
»Bonny, wo eine Braut ist, ist auch eine Mitgift.« Die beiden Frauen kehrten das Unterste zuoberst, doch außer den kostbaren Kleidern und ein paar Schmuckstücken und goldenen Haarspangen fanden sie nichts.
Anne stand in der Mitte der Kabine und schaute sich um. Ihr Blick fiel auf die fein gearbeitete Holzverkleidung der Wände. Sie erinnerte sich an das Opiumversteck, das Rackham seinerzeit aufgespürt hatte. Rasch rückte sie die Möbel zur Seite und begann das Holz abzuklopfen. Mary sah ihr mit ratloser Miene zu.
Anne drückte und schob an den Paneelen. Plötzlich sprang eine der Zierleisten nach vorne und gab einen kleinen Hohlraum frei.
»Das ist es!«, triumphierte Anne, griff hinein und beförderte einen kleinen Ebenholzkasten ans Tageslicht.
Der Deckel des Kistchens war mit feinsten Elfenbeinintarsien verziert und ließ sich mit einem Handgriff öffnen.
»Du bist genial«, war alles, was Mary beim Anblick des Inhalts hervorbrachte. In buntem Durcheinander funkelten geschliffene und ungeschliffene Edelsteine um die Wette. Smaragde, Saphire und Rubine, Anne rieb sich die Hände.
»Sag noch einer, dass wir keinen guten Riecher haben.«
Mary kniete vor dem kleinen Geheimfach und durchsuchte es gewissenhaft. Gerade wollte sie ihren Arm zurückziehen, da ertasteten ihre Fingerspitzen in der hintersten Ecke etwas Weiches. Erst als sie bis zur Schulter in der Öffnung steckte, bekam sie es zu fassen und zog einen faustgroßen Lederbeutel hervor. Neugierig öffnete sie den Verschluss und hielt Anne das Säckchen entgegen.
»Hat sich gelohnt, noch mal genau nachzuschauen.« Anne lachte laut auf, als sie die ungeschliffenen Diamanten blitzen sah, und klopfte Mary anerkennend auf die Schulter.
»Damit haben wir ausgesorgt.« Nachdenklich verschnürte sie den Beutel wieder.
»Wenn es nach mir geht, wickeln wir beides in den Überrock und verstecken es erst mal in deinem Seesack.« Mary sah sie zweifelnd an.
»Willst du den anderen etwa nichts abgeben? Das kannst du nicht machen! Die lynchen uns.« Anne schüttelte den Kopf.
»Keine Sorge, Read, ich will niemanden bescheißen, jedenfalls niemanden, der zu uns gehört, aber mein Gefühl sagt mir, dass Finch etwas im Schilde führt. Ich glaube, er wiegelt seine Leute gegen uns auf.«
Mary verbarg das Bündel unbemerkt in ihrem Seesack. Dann folgte sie Anne an Deck. Sie fand sie abseits von den anderen im Gespräch mit George Fetherston. Der hörte ihren Worten aufmerksam zu und nickte.
Nachdem die Beute auf die Neptun gebracht worden war, ging Anne zu de Vevre und winkte Mary zu sich.
»Sag ihm, dass wir den Frauen nichts getan haben, außer sie in seiner Kajüte einzuschließen. Und dann sag ihm bitte, dass wir uns an unsere Abmachung halten und ihn und seine Leute ziehen lassen, vorausgesetzt, sie ändern den Kurs und gehen nicht in Hispaniola an Land.« Mary begann, ihre Worte zu übersetzen, da unterbrach sie der Kapitän.
»Meine Herren, ich spreche Ihre Sprache zwar nicht sehr gut, aber ich habe verstanden, was Sie gesagt haben. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort als Kapitän, dass wir Ihrem Befehl Folge leisten und keinen Fuß auf die Insel setzen werden, wenn Sie uns freies Geleit garantieren.« Anne sah ihn überrascht an.
»Dann steht Ihrer Reise nichts mehr im Weg.« Sie löste seine Handfesseln. De Vevre
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