Koenigin der Meere - Roman
verströmte einen köstlichen Geruch aus Lavendel und frisch geplättetem Hemd. »In wenigen Minuten verlassen wir Ihr Schiff und …« Ihr Blick fiel auf de Vevres Rubinring.
»Zuvor muss ich Sie allerdings noch bitten, mir Ihren Ring zu überlassen.« De Vevre verschränkte die Arme hinter dem Rücken.
»Monsieur, um unseres guten Gottes willen bitte ich Sie, mir diesen Ring zu lassen. Er ist ein Erbstück meiner seligen Mutter. Sie gab ihn mir auf dem Sterbebett. Er bedeutet mir sehr viel.« Mary sah, dass Anne zögerte.
»Kommt gar nicht infrage. Geben Sie den Ring her, oder ich schneide Ihnen den Finger ab, an dem Sie ihn tragen. Es wäre nicht das erste Mal.« Erschrocken drehte de Vevre an seinem Ring. Es dauerte einige Sekunden, bis er vom Finger glitt. Er überreichte Anne das wertvolle Kleinod. Sie nahm es wortlos entgegen, steckte es an ihren
Zeigefinger und sah nicht, dass de Vevre überrascht die Augenbrauen hob, als sein Blick auf ihre Hände fiel.
»Wie gesagt, in wenigen Minuten untersteht das Schiff wieder Ihrem Kommando«, sagte Anne höflich und rief den Piraten zu: »Holt die Flagge herunter, und nehmt sie mit. Und dann Abmarsch!«
In Hochstimmung verfolg ten die Piraten den Kurswechsel des französischen Schiffes. De Vevre hielt Wort und segelte auf das offene Meer hinaus.
Die gesamte Beute war an Bord der Neptun gebracht worden. Anne hatte mit Finch besprochen, dass sie weiterhin im Konvoi segeln, in der nächsten versteckten Bucht vor Anker gehen und die Prise gerecht aufteilen würden.
Sie ging in Rackhams Kajüte, um ihm von dem unblutigen Überfall zu berichten. Calico Jack lag wie immer auf seinem Bett und schlief. Unsanft rüttelte Anne an seinem Arm.
»Calico! Wach auf! Verflucht noch mal, kannst du nicht wenigstens ein paar Stunden am Tag nüchtern sein?« Rackham öffnete die Augen, sah sie mit schwimmendem Blick an und knurrte wütend: »Lass mich zufrieden! Furzdonnerschlag! Wenn du mir meine Finger wieder gibst, werde ich auch wieder nüchtern!« Anne schloss die Tür der Kajüte mit einem zornigen Knall.
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A nnes Gefühl hatte sie nicht getrogen. Otis Finch war unzufrieden und versuchte die Mannschaft gegen sie aufzubringen.
»Dieser Bonny ist noch nicht trocken hinter den Ohren und maßt sich an, einem erfahrenen Seebären wie mir Befehle zu erteilen. Von Rechts wegen müsste ich das Kommando haben.
Und wenn es nach mir gegangen wäre, hätten wir uns nicht mit ein paar läppischen Büchern, ein paar Flaschen Wein und irgendwelchen Stofffetzen zufrieden gegeben. Wir hätten dieses französische Schiff mit Mann und Maus übernehmen sollen. Es ist zehnmal besser ausgestattet als dieser Kahn hier. Aber statt reiche Beute zu machen, lässt Bonny die Leute fröhlich davonfahren.« Die meisten Männer waren seiner Meinung.
»Wir werden die Prise teilen, und dann übernehme ich den Befehl. Rackham hat abgewirtschaftet. Ein Krüppel, der ständig betrunken ist, vertreten von einem Grünschnabel, der von nichts eine Ahnung hat. So kann es nicht weitergehen.«
»Hoch! Kapitän Finch!«, rief seine Mannschaft.
Einige Stunden später gingen die beiden Schiffe in einer verborgenen Bucht vor Anker.
Anne hatte die gesamte Beute auf dem Deck der Neptun ausbreiten und auch die Kiste mit dem Lösegeld für Mrs. Thomson heraufholen lassen. Finchs Männer kamen mit lautem Gejohle an Bord. Vergessen die Zeit auf der Insel, vergessen die Zeit der Entbehrungen. Wenn erst die Beute verteilt war, würden sie Finch zum Kapitän wählen, anschließend im Hafen von Hispaniola an Land gehen und sehen, was sich mit dem Geld alles anstellen ließ.
»Wenn ihr einverstanden seid, zählen wir als Erstes die Achterstücke ab, und jeder bekommt, was ihm zusteht«, sagte Anne und öffnete die Kiste. Die Mittagssonne ließ die Münzen blitzen, und die Piraten konnten es kaum abwarten, das klingende Silber in ihre Taschen zu stopfen. Anne deutete auf die Bücher.
»Wenn wir an Land sind, werde ich mich darum kümmern, wo wir den besten Preis für die Bücher und die Stoffe erzielen. Es sei denn, einer von euch möchte das übernehmen?« Niemand meldete sich. Wer wollte schon seine Zeit mit dem Verkauf von Büchern vertun, wenn man stattdessen Alkohol und Frauen kaufen konnte.
»Was den Wein und den Schnaps betrifft, entscheidet selbst. Ihr könnt euch jetzt und hier damit betrinken, ich kann aber auch das zu Geld machen und es dann aufteilen. Die Männer grölten und bestanden darauf, die ersten
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