Koenigin der Meere - Roman
dich sogar richtig gern. Aber ich will eine Familie gründen, und dafür brauche ich eine Frau und keinen Mann an meiner Seite.« Mary nickte.
»Und wenn ich eine Frau wäre, würdest du mich dann mitnehmen?«, fragte sie leise. Foster schluckte verwirrt.
»Wenn du eine Frau wärst, würde ich dich wahrscheinlich mitnehmen. Du bist freundlich, fleißig und mutig. Du kannst zupacken und scheust keine Arbeit. Aber du bist nun mal keine Frau.« Er stockte und dachte daran, dass ihm die weiße, unbehaarte Haut an Marys Bein aufgefallen war, als er den Riss in ihrer Hose geflickt hatte.
»Du bist doch nicht etwa eine Frau?«, krächzte er heiser. Mary legte ihren linken Zeigefinger auf seine Lippen und öffnete mit der Rechten ihr Hemd. Foster starrte sie entgeistert an. Mary musste lachen.
»Ich bin eine Frau, und ich liebe dich.« Foster wich erschrocken zurück.
»Eine richtige Frau, ich meine, mit allem, was dazugehört? Aber das kann doch gar nicht sein!« Er sah Mary prüfend an. Ihre Hände waren schwielig, aber näher besehen, waren es keine Männerhände. Gesicht und Hals waren von der Sonne gebräunt, aber nirgends entdeckte er eine Spur von Bartwuchs. Er streichelte ihre Wange und grinste.
»Ein Piratenmädchen! Wenn mir vor ein paar Minuten jemand erzählt hätte, dass es so was gibt, hätte ich ihn für verrückt gehalten.« Er legte den Arm um ihre Schulter, zog sie an sich und fragte zweifelnd: »Und du würdest wirklich mit mir kommen und dieses Leben hier für ein Leben an Land aufgeben?« Mary schmiegte ihren Kopf an seine Brust.
»Ich bin nicht immer zur See gefahren, und für ein Leben mit dir würde ich alles aufgeben.«
Gepolter auf der Treppe ließ sie auseinanderschrecken. Rackham stolperte die Treppe herunter und öffnete die Tür zur Kapitänskajüte. Der Cognac hatte ihm gut geschmeckt, jetzt war das Stadium erreicht, in dem er sich nur noch hinlegen und schlafen wollte. Ohne einen Blick auf Mike und Mary zu werfen, schwankte er in die Kajüte.
Das Fest an Deck war zu Ende. Die betrunkenen Männer lagen kreuz und quer und schnarchten. Anne, die als Einzige nüchtern geblieben war, betrachtete das Durcheinander. Ihre Augen suchten Mary. Als sie sie nicht fand, ging sie ins Zwischendeck und sah sich dort nach ihr um.
»Wir sind hier«, flüsterte Mary aus einer Ecke. Anne tastete sich durch die Dunkelheit und sah sie angelehnt an Foster, der seine Arme um sie geschlungen hatte. Mary lachte leise.
»Bonny, mach den Mund zu, oder willst du Fliegen fangen? Ich habe Mike gesagt, wer ich wirklich bin. Wir werden am nächsten Hafen an Land gehen und ein ehrbares Leben führen.« Anne sah sie entsetzt an.
»Das kannst du mir nicht antun! Du kannst mich doch jetzt nicht im Stich lassen! Für das, was ich vorhabe, brauche ich deine Hilfe! Read, bitte, warte mit deiner Entscheidung noch ein wenig. Morgen, wenn die Männer wieder nüchtern sind, will ich es allen sagen.«
Sie wandte sich abrupt ab und ging wieder an Deck. Wie eine glänzende schwarze Seidendecke umgab das Meer die Schaluppe. Anne suchte sich einen freien Platz und legte sich auf den Rücken. Am Himmel glitzerten die Sterne wie die Diamanten, die sie in ihrer Schärpe verborgen hatte.
Anne spürte einen Kloß im Hals. Calico lag in seiner Kajüte und war betrunken. Mary wollte sie verlassen. Sie dachte an ihren Sohn, an Jubilo,
an Kabelo und ihren Vater. Wie es ihm wohl gehen mochte? Vielleicht war Marys Idee, das Piratenleben hinter sich zu lassen, gar nicht so schlecht. Anne fühlte Sehnsucht in sich aufsteigen. Sie biss sich auf die Unterlippe. Nein! Noch war es zu früh. In ihrem Kopf schwirrten so viele Ideen, so viele Pläne. Später einmal, später konnte sie immer noch ein beschaulicheres Leben führen. Jetzt musste sie erst einmal etwas Schlaf finden und morgen die Besatzung auf ihre Seite bringen.
Gegen Mittag waren die Spuren der Nacht beseitigt. Die Männer hatten gefrühstückt und warteten auf das, was Anne ihnen zu sagen hatte.
Ihre Versuche, Rackham im Vorfeld zu informieren, scheiterten. Der Kapitän war nicht wachzukriegen. Fetherston stand neben ihr und pfiff gellend auf zwei Fingern. Die Piraten verstummten. Anne atmete tief durch.
»Also Leute, in Kapitän Rackhams Namen will ich euch einen Vorschlag machen. Ich weiß, dass ihr alle scharf darauf seid, so schnell wie möglich an Land zu kommen und euch mit ein paar hübschen Mädchen die Zeit zu vertreiben.« Die Piraten johlten.
»Eigentlich hatten
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