Koenigin der Meere - Roman
Hängematte. Wascht ihm das Gesicht mit Salzwasser und gebt ihm feuchte Tücher, um die Schwellungen zu kühlen. Der Rest geht an die Arbeit. Wir wollen noch heute ankern. Alles Weitere besprechen wir, wenn wir einen sicheren Platz für das Schiff gefunden haben! Fetherston, du bleibst noch einen Moment!«
Anne befand sich in einer schwierigen Lage. Der Kodex schrieb vor, dass Prügeleien an Bord streng zu bestrafen waren, andererseits hatte sie Verständnis für Mary, die sich den ungünstigsten Zeitpunkt ausgesucht hatte, um ihre wahre Identität preiszugeben. Gemeinsam mit Fetherston suchte sie einen Weg aus dem Dilemma. Der Erste Maat sah sie nachdenklich an.
»Bonny, sei ehrlich, seit wann weißt du, dass Read eine Frau ist?«
»Ich kann es dir nicht genau sagen, aber es kommt mir vor wie eine halbe Ewigkeit. Rackham wusste es übrigens auch.« Fetherston ging vor ihr auf und ab.
»Das Ganze ist nicht gut. Ich weiß nicht, ob es uns gelingt, die Männer davon zu überzeugen, dass sie noch eine Frau an Bord akzeptieren müssen. Du hast Dobbins gehört.«
»Dobbins! Dobbins ist ein Schwätzer. Read hat bis zu dem Unglück mit Foster erstklassige Arbeit geleistet und sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Sie hat mehr als ihr halbes Leben als Mann verbracht, sogar in der flandrischen Armee gedient«, schnaubte Anne.
»Sie und Foster wollten heiraten und in England ein Häuschen mit Ackerland und einem Stall voller Kinder haben. Ich kann ihre Wut auf Rackham verstehen.« Sie rieb sich die Augen.
»Mein Vorschlag ist, dass wir uns einen Ankerplatz suchen und Foster begraben. Wenn das geschehen ist, werden wir die Juwelen aufteilen. Das lenkt die Männer ab. Rosebud soll ein anständiges Essen kochen und Carry ein Fass mehr als sonst aufmachen. Ich meine, wir sollten die ganze Angelegenheit auf sich beruhen lassen. Rackham hat seine Strafe bekommen und Read ist vor Kummer irre gewesen. Jeder
weiß, dass so was nie mehr vorkommen wird. Was meinst du, Fetherston?«
»Mich hast du wie immer auf deiner Seite. Lass es uns versuchen.«
Die Taschen mit Gold und Edelsteinen, die Bäuche mit Fleisch und Brot gefüllt, in der Hand einen Becher voll Wein, stimmte die Mannschaft ab und nahm Annes Vorschlag an. Dobbins enthielt sich der Stimme und tippte sich mit dem Finger an die Stirn.
»Zwei Weiber auf einem Schiff, und keiner darf man an die Wäsche. Wenn mir das einer erzählen würde, ich würde ihn auslachen.« Fetherston warf ihm einen strafenden Blick zu.
»Keiner zwingt dich, bei uns zu bleiben. Du kannst morgen an Land gehen und auf einem anderen Schiff anheuern. Ich allerdings würde mir das gut überlegen, denn so viel Beute wie mit den zwei Weibern, wie du sie nennst, hast du in deinem ganzen Leben noch nicht gemacht.« Er hob seinen Krug.
»Ein Hoch auf Kapitän Bonny, darauf, dass uns die Kubaner morgen unsere Ladung vergolden und versilbern!«
-37-
A uch Rackham hatte seinen Anteil von der Beute erhalten. Er lag in der Hängematte, kühlte sein geschwollenes Gesicht und spielte mit einem Perlenarmband. Anne stand neben ihm und sah ihn ohne Mitgefühl an.
»Du hast durch deine Sauferei viel kaputt gemacht und einen unschuldigen Menschen getötet. Fetherston und ich haben verhindern können, dass die Männer dich bestrafen, und du weißt, was dir geblüht hätte, wenn uns das nicht gelungen wäre. Aber ich will, dass du mir deinen Anteil an den Juwelen gibst. Ich werde die Steine verkaufen und das Geld zu Grandma Del bringen, damit sie unseren Sohn anständig versorgen kann.« Rackham nahm das feuchte Tuch von seinem Gesicht.
»Furzdonnerschlag! Was bildest du dir eigentlich ein? Ich denke gar nicht daran, dir irgendetwas zu geben. Was ich in der Tasche habe, gehört mir und sonst niemand!« Anne hob drohend die Faust.
»Spar dir dein Furzdonnerschlag, sieh dich an, du bist nur noch ein Furz! Von Donnerschlag keine Spur mehr. Wenn du dich weigerst, werfe ich dich von Bord. Ich schwöre es dir beim Leben unseres Sohnes! Wenn wir die Ladung verkauft haben, kriegst du deine Achterstücke und kannst damit machen, was du willst. Den Schmuck will ich für unseren Sohn! Her damit!« Sie schob seine abwehrende Hand zur Seite und langte in seine Hosentasche.
Mary saß in der Kajüte und schloss weinend die letzte Naht der Segeltuchhülle, in die sie Mike Fosters sterbliche Überreste eingenäht hatte. Sie hatte darauf bestanden, ihm diesen letzten Dienst selbst zu erweisen. Anne schickte zwei Männer in
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