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Koenigin der Meere - Roman

Titel: Koenigin der Meere - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Doubek
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sie die Glieder. Was für eine Nacht. Sie setzte sich neben Patrick Carry, der sich auf dem Achterdeck ausruhte.
    »Ich habe auf dich gewartet, Bonny. Wegen Rackham. Die Männer
sind der Meinung, dass er bestraft werden muss. Du kennst den Kodex.«
    »Ja, Carry, ich kenn den Kodex. Lass mir noch ein wenig Zeit. Für heute ist genug Blut geflossen.« Anne streckte ihre Beine aus und genoss die wärmende Morgensonne.
    Aus der Kombüse drang ein Duft, der die Lebensgeister der erschöpften Wogenstreicher weckte. Bevor sie selbst frühstückte, brachte Anne eine Schüssel zu Mary. Rackham saß mit knurrendem Magen in seinem Verschlag neben der Pulverkammer und wagte sich nicht an Deck.
    Gestärkt von der Mahlzeit, umringte die Besatzung Anne und ihren Quartiermeister. Mit geübtem Blick begutachtete Patrick Carry die erbeuteten Waren. Die Beute überstieg alles, was sie sich erhofft hatten. Baumwolle von der Malabarküste, Seidentücher aus Bengalen und kostbarste gold- und silberdurchwirkte Stoffe in allen Farben, wie sie nur von der Südküste Indiens zu bekommen waren.
    Carry öffnete eines der Fässer und jubelte.
    »Koschenille, Leute, das bringt ein Vermögen. Die ganze Welt ist verrückt nach dieser roten Farbe, und wir haben sie!« Es folgten mehrere Truhen, bis oben mit afrikanischem Elfenbein gefüllt. Dann machte sich der Quartiermeister am Schloss einer Kiste zu schaffen. Als er endlich den Deckel hob, fiel das Sonnenlicht auf puren Goldstaub. Die Piraten johlten und umarmten sich gegenseitig, als Carry drei weitere Kisten gleichen Inhalts präsentierte.
    »So, Männer, das war’s. Ich denke, es gibt keinen Grund zur Klage.« Carry schloss die Kisten wieder.
    »Moment noch, Jungs, das war es noch nicht ganz!« Anne stellte sich vor ihre Mannschaft.
    »Howell, Corner! Bringt mal her, was wir in den Kabinen gefunden haben.« Die beiden Gerufenen kamen mit zwei schweren Seesäcken nach vorne. Zuerst breiteten sie kostbare Saris und Turbane vor ihren Kameraden aus. Dobbins wickelte sich einen Turban um den Kopf und vollführte unter dem Gelächter seiner Kameraden mehrere tiefe Verbeugungen.
    Als Howell den ersten silbernen Pokal auf die Planken stellte, trat er zur Seite. Nach und nach packten Howell und Corner das gesamte
Ess- und Trinkgeschirr der indischen Passagiere aus. Märchenhaft verzierte Gefäße glänzten in der Sonne.
    Unbemerkt von den anderen, war Anne in die Kajüte gegangen, hatte nach dem noch immer bewusstlosen Foster gesehen und kam mit dem blauen Seidenbündel wieder an Deck. Sie schob ein paar Teller zur Seite und breitete das Tuch aus. Münzen und Geschmeide aus Gold, Perlenketten und mit Diamanten besetzte Spangen purzelten durcheinander. Der Anblick der Schätze machte die Mannschaft für den Bruchteil einer Sekunde sprachlos, dann stampften sie wie ein Mann im Takt auf die Planken und ließen Anne hochleben.
    Mary verbrachte die Tage und Nächte an Fosters Bett. Das Opium linderte seine Qualen, aber die Wunde hatte sich entzündet. Der Segelmacher wurde von heftigen Fieberanfällen geschüttelt. Hilflos musste Mary mitansehen, wie sich sein Zustand täglich verschlechterte.
     
    Rackham erschien drei Tage nicht an Deck. Dann trieb ihn der Hunger aus seinem Verschlag. Er ging zu Rosebud in die Kombüse. Anne würdigte ihn keines Blickes, als er sich mit seiner Schüssel am Heck niederließ und das Cassavabrot in die Brühe tunkte.
    Kuba war nicht mehr weit, Anne hoffte, die Insel bei Anbruch der Dunkelheit zu erreichen. Gleich am nächsten Morgen würde sie sich auf die Suche nach einem Arzt machen. Am späten Nachmittag ging sie in die Kajüte. Sie fand Mary tränenüberströmt über den Leichnam ihres Geliebten gebeugt. Foster hatte seinen letzten Atemzug getan, ohne das Bewusstsein wiederzuerlangen. Anne umarmte Mary und zog sie sanft vom Bett. Wortlos streichelte sie ihr über Haare und Rücken. Mary schluchzte verzweifelt.
    »Warum er? Warum ausgerechnet er? Wir wollten ein ganz normales Leben führen, er war nicht einmal einer von uns!« Sie stand auf und putzte sich die Nase. Jetzt erst sah Anne, wie sehr die vergangenen Tage ihr zugesetzt hatten. Marys Augen lagen in tief violetten Höhlen, die Wangen waren eingefallen.
    »Read, komm mit mir nach oben. Du kannst nichts mehr für ihn tun. Wir werden ihn in ein Segel einnähen und dem Meer übergeben.« Mary schrie auf.
    »Nein! Wenn du das tust, springe ich hinterher! Ich will nicht, dass
er von den Fischen gefressen wird! Er soll

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