Koenigin der Meere - Roman
der Länge nach auf den Boden fiel. Kaum war die Tür zu, stand sie auf und grinste hämisch.
»Diese Idioten, sie haben nichts gemerkt. Vielleicht sollte ich in meinem nächsten Leben unter die Schausteller gehen. Als ihre Augen
sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erblickte sie Mary, die schwach und fiebrig in der Ecke lag.
»Was ist mit ihr?« Anne legte die Finger auf die Lippen und flüsterte: »Sei leise, sie ist gerade eingeschlafen. Sie hat vor ein paar Tagen einen Sohn geboren und glüht vor Fieber. Ich fürchte, dass sie nicht mehr lange die Kraft haben wird, den Kleinen zu stillen. Wir müssen versuchen, ihn hier herauszuschmuggeln, bevor jemand etwas merkt. Sonst baumelt sie am nächsten Galgen, bevor wir etwas tun können.«
»Ich kann ihn unter meinen Röcken verstecken, wenn sie mich morgen oder übermorgen wieder rauslassen.« Kathy hob den Saum ihres Kleides und löste die Bauchbinde, mit der sie Brot, Obst und Fleisch an ihrem Körper befestigt hatte.
Aus der Ecke erklang leises Greinen. Der kleine Mike war aufgewacht und suchte die Brust seiner Mutter. Kathy betrachtete ihn entzückt.
»Was für ein hübsches Kind. So viele Haare. Meine hatten immer Köpfe so kahl wie Billardkugeln.« Sie seufzte mitleidig.
»Du armes kleines Kerlchen. Wir werden schon ein gutes Plätzchen für dich finden, bis wir deine Mummy hier herausgeholt haben.« Mary schlug die Augen auf.
»Kathy, wie schön, dich zu sehen. Es ist ein Junge. Du musst ihn retten.« Kathy strich ihr die Haare aus der schweißbedeckten Stirn.
»Mach dir keine Gedanken, Mädchen. Hier«, sie reichte Mary ein Stück Fleisch, »ich weiß, dass du keinen Hunger hast, aber du musst essen, sonst versiegt deine Milch. Und wenn dein Kleiner vor Hunger schreit, verrät er uns.«
Anne und Kathy schmiedeten Pläne.
»Wenn du draußen bist, musst du als Erstes versuchen, Doktor Hamilton eine Nachricht zukommen zu lassen. Er wird wissen, was zu tun ist.« Anne schob sich eine Orangenscheibe in den Mund.
»Als Erstes muss ich eine Amme finden, die den kleinen Wurm anlegt. Sonst verhungert er«, sagte Kathy bestimmt. Anne widersprach: »Die Amme hat Zeit, gib ihm verdünnte Ziegenmilch, davon wird er auch satt. Du musst zum Doc, damit wir hier so schnell wie möglich wegkommen.«
Am Mittag des folgenden Tages stillte Mary ihren Sohn zum letzten Mal. Geduldig weckte sie ihn immer wieder, strich mit dem Zeigefinger unter seinem Kinn entlang, um ihn zum Saugen und Schlucken zu animieren. Endlich war der kleine Knabe so satt, dass ihm die Milch in einem Rinnsal aus dem Mundwinkel lief.
Dicke Tränen kullerten über Marys fieberheiße Wangen, als sie das Kind zum Abschied küsste, dann reicht sie ihn Kathy.
»Pass gut auf ihn auf. Er ist alles, was mir von seinem Vater geblieben ist.« Kathy knöpfte ihr Kleid auf und bettete das Köpfchen des schlafenden Säuglings so zwischen ihre Brüste, dass er gerade noch atmen konnte. Mit Annes Hilfe wickelte sie das Tuch, in dem sie die Lebensmittel versteckt hatte, so, dass Mike nicht herunterrutschen konnte, dann knöpfte sie das Kleid wieder zu. Sie hatte die letzte Öse kaum geschlossen, da polterte der Wachmann herein und hielt seine Laterne in das Verlies. Als er sah, dass Kathy nicht wie gewöhnlich auf dem Boden lag und ihren Rausch ausschlief, herrschte er sie an.
»Los, du alte Schlampe, wenn du stehen kannst, kannst du auch laufen. Mach, dass du Land gewinnst. Und lass dich nicht so schnell wieder hier blicken. Sieh zu, dass du draußen dein Essen verdienst, statt dich hier drinnen verköstigen zu lassen.« Er knallte eine Schüssel mit wässriger Suppe auf den Boden. Kathy nutzte die Gelegenheit und schlüpfte an ihm vorbei zur Tür.
»Bin schon weg, Sir, bin schon weg.« Die Soldaten ließen sie passieren. Niemand bemerkte, dass Kathy ihren Bauch mit der rechten Hand abstützte. Als sich das schwere Eisentor hinter ihr schloss, hätte sie vor Freude am liebsten laut geschrien. Stattdessen senkte sie behutsam den Kopf und flüsterte in ihren Ausschnitt: »Wir haben sie alle an der Nase herumgeführt, Mike. Was sagst du jetzt? Die alte Tante Kathy hat dich aus dem Gefängnis geschafft. Atme tief durch! Das hier ist freie Luft.« Sie machte sich unverzüglich auf den Weg zum Haus des Gouverneurs.
Vor dem Eingang standen zwei Wachposten, die sofort nach ihren Degen griffen, als sie Kathleen Briggs näherkommen sahen. Obwohl ihr Herz vor Angst bis zum Hals schlug, bemühte sie sich um einen
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