Koenigin der Meere - Roman
festen Schritt.
»Lasst mich durch Männer, ich habe eine wichtige Nachricht für Doktor Ben Hamilton«, rief sie beherzt. Der Klang ihrer Stimme weckte Mike, er begann sich zu bewegen. Kathy presste ihn fester an sich.
»So siehst du gerade aus, dass du eine Nachricht für den Herrn Doktor hast!«, höhnten die Posten. Kathy ließ sich nicht entmutigen.
»Es hat einen Unfall gegeben am Hafen. Hamiltons Kapitän ist verletzt. Es wird schlecht für euch ausgehen, wenn der Gouverneur erfährt, dass der Mann euretwegen draufgeht.« Die Soldaten sahen sich zweifelnd an. Wenn die Frau die Wahrheit sagte und sie ihr den Zutritt verwehrten, würde Lawes nicht zögern, eine harte Strafe zu verhängen. Unwillig traten sie zur Seite.
Kathy klopfte mit der Faust an die dunkelbraune, glänzend polierte Haustür. Gib, Herr, dass sie mich nicht zu lange warten lassen und der Kleine aufwacht und plärrt, schickte sie ein Stoßgebet zum Himmel, als Jubilo die Tür öffnete und sie fragend ansah.
»Ich muss zu Doktor Hamilton«, Kathys Stimme klang flehend. Der Arzt hatte Kathy so plastisch beschrieben, dass Jubilo sie auf den ersten Blick erkannte.
»Ich hole den Doktor, warte hier«, sagte er leise und lehnte die Tür an.
Jubilo stürzte, ohne zu klopfen, in Hamiltons Zimmer, und binnen Sekunden lief der Arzt mit wehender Weste zur Haustür. Draußen ging Kathy unruhig auf und ab. Mike war wach und versuchte seine Ärmchen aus dem eng gewickelten Tuch zu befreien.
»Doktor«, Kathy entfernte sich einige Schritte vom Haus und bedeutete Hamilton mit einem Kopfnicken, ihr zu folgen.
»Unter meinem Kleid habe ich Marys Sohn versteckt. Ich habe ihn aus dem Gefängnis geschmuggelt. Anne hat mir befohlen, Sie als Erstes aufzusuchen, und gesagt, Sie wüssten, was zu tun ist. Aber machen Sie schnell, der Bengel kann jeden Augenblick anfangen zu brüllen.« Auf Kathys Oberlippe bildeten sich Schweißperlen.
Hamilton zögerte keine Sekunde.
»Jubilo, der Kutscher soll den Wagen anspannen. Sag ihm, ich habe einen Notfall zu behandeln. Nimm Kathy gleich mit zum Stall. Ich
hole meine Jacke und die Tasche.« Er eilte zum Haus und drehte sich noch einmal um.
»Und dann entschuldige mich beim Gouverneur und Miss Lawes, ich kann heute nicht am Diner teilnehmen.«
Der Zweispänner jagte durch das Tor, und die beiden Posten sahen in der Staubwolke, dass Doktor Hamilton neben der ungepflegten Frau saß, die so dringend Eintritt begehrt hatte.
Kisu strahlte über das ganze Gesicht, als Hamilton den kleinen Mike untersuchte und außer einem wunden Po nichts zu beanstanden hatte. Kathy war unterwegs, um frische Ziegenmilch zu besorgen, die Zimmerwirtin hatte eine große Schüssel mit warmem Wasser gebracht, und der Arzt zeigte Kisu, wie sie den Säugling säubern, seine wunden Stellen mit einer heilenden Paste aus wilder Kamille bestreichen und ihn wickeln musste.
»Die Wirtin wird dir Waschwasser und Milch bringen, so viel du brauchst. Ich komme jeden Tag vorbei und sehe nach dir und dem Kind. Pass gut auf ihn auf, sonst zieht dir Mary die Ohren lang.«
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M ary hatte sich in den Schlaf geweint. Anne saß neben ihr und zog vorsichtig die Hand zurück, mit der sie die Freundin seit Stunden tröstend gestreichelt hatte. Sie schob ein Häufchen Stroh zur Seite und aß noch etwas von den Köstlichkeiten, die Kathy mitgebracht hatte. Sorgsam achtete sie darauf, genug Fleisch für Mary übrig zu lassen. Doch die aß so wenig, dass Anne beschlossen hatte, lieber selbst zuzulangen, als die Delikatessen verderben zu sehen.
Unter dem Vorwand, den Fortgang der Schwangerschaften überprüfen zu wollen und den Zeitpunkt der Entbindungen zu präzisieren, war es Hamilton ein Leichtes gewesen, die Erlaubnis des Gouverneurs für einen erneuten Besuch im Kerker zu erwirken.
Besorgt kniete er neben Mary und tastete ihren noch immer geschwollenen Leib ab. Vergeblich hatte sie versucht, sich aufzurichten, um sich bei ihm zu bedanken, als er ihr berichtete, dass ihr Sohn in guten Händen und wohlauf sei. Mary war so schwach, dass ihr sogar das Sprechen schwerfiel. Der Arzt beugte sich vor, um sie besser verstehen zu können
»Doc, muss ich sterben? Sagen Sie mir die Wahrheit. Werde ich in diesem Drecksloch hier verrecken. Ich möchte meinen Sohn und die Sonne wieder sehen. Hier ist es so dunkel. Nicht wahr, im Dunklen hat es der Teufel leichter, die armen Sünderseelen zu holen. Manchmal denke ich, er hat es schon auf mich abgesehen.«
Hamilton strich
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