Koenigin der Meere - Roman
mit seiner Sklavin für eine Weile beendet. Doch jetzt, wieder unter einem Dach, wuchs sein Verlangen täglich. Die Woche war noch nicht vergangen, da schlich er in ihre Kammer. Die Nacht war schöner als alles, was er zuvor erlebt hatte. Als William Cormac seine Geliebte vor Anbruch des Tages verließ, wusste er, dass er es nicht fertigbringen würde, sie zu meiden. Phibbah war glücklich, dass der Vater ihres Kindes sie heftiger denn je begehrte. Sie hatte sich in Cormac verliebt und träumte manchmal sogar davon, die Frau an seiner Seite zu sein. Tagsüber gab sie sich zurückhaltend und bescheiden, achtete sorgfältig darauf, dass niemand im Haus etwas merkte; nachts erfüllte sie Cormacs geheimste Wünsche und hoffte.
Wer konnte schon sagen, was das Schicksal brachte. Sie dachte an den Doktor und daran, wie liebevoll er mit ihrer Mutter umgegangen
war. Margaret war nicht gesund, litt nach wie vor unter Fieberattacken … der Doktor war auch verwitwet gewesen …
Während Kabelos Ankündigung der Frühlingsüberraschung Anne dazu brachte, das Grundstück nicht mehr heimlich zu verlassen, hielt sie sich nicht an das Versprechen, das sie ihrem Vater gegeben hatte. Je länger sich die Familie in Charleston aufhielt, umso unleidlicher wurde Anne. Mit ihren Wutausbrüchen und Ungezogenheiten brachte sie Miss Enders an den Rand der Verzweiflung.
»Anne, ich habe vor dir schon viele Kinder unterrichtet, aber so viel Widerstand, wie du ihn mir entgegenbringst, habe ich noch nie erlebt. Wenn sich das nicht ändert, muss ich deinen Eltern sagen, dass ich nicht länger deine Lehrerin sein kann.« Sie hob Zeichenpapier und Stift vom Boden auf. Anne blitzte sie böse an.
»Dann sagen Sie das doch endlich!«
Der Winter zog sich zurück, die Tage wurden länger. Die Cormacs bereiteten den Umzug auf die Plantage vor. Phibbah war wie ausgewechselt. Leise summend verrichtete sie ihr Tagwerk. Nichts war ihr zu schwer, keine Pflicht lästig, keine Arbeit zu mühsam. Die Freude, ihren Sohn bald wiederzusehen, war größer als jede Mühe.
Als die beladenen Kanus den Ashley hinauffuhren, strahlte sie mit Anne um die Wette. Miss Enders war nicht mit von der Partie. An ihrer Stelle hatte Cormac einen neuen Hauslehrer, Mr. Fidget, und eine strenge Gouvernante, Miss Holy, eingestellt.
Mr. Fidget hatte graue Haare, buschige Brauen, einen üppigen Bart und stets einen kleinen Rohrstock in der Hand. Anne fürchtete sich vor ihm, nachdem er sie schon am ersten Tag gewarnt hatte.
»Wir werden gut miteinander auskommen. Vorausgesetzt, du leistest deinen Beitrag dazu. Ich erwarte von dir, dass du mir zuhörst, dass du aufmerksam bist und dich konzentrierst. Deine Eltern wünschen, dass du etwas bei mir lernst, und ich werde sie nicht enttäuschen. Hast du mich verstanden?« Er ließ den Rohrstock durch die Luft zischen. Anne erschrak und nickte.
»Je besser du arbeitest, umso schneller werden wir mit unserem täglichen Pensum fertig, und du kannst Dinge tun, die dir Freude bereiten. Wenn du trödelst, werde ich bis tief in den Nachmittag mit dir
hier im Studierzimmer sitzen und dich erst entlassen, wenn die Arbeit getan ist. Vergiss nie, dass ich viel Zeit habe.« Seine Stimme war von freundlicher Bestimmtheit, und der Blick aus seinen überwucherten Augen sagte Anne, dass er nicht scherzte. Sie strengte sich an wie nie zuvor, und bald erstattete Mr. Fidget ihren Eltern Bericht, dass er ein so intelligentes und lernwilliges Mädchen wie ihre Tochter noch nie unterrichtet habe.
Schwieriger waren die Stunden, die Anne mit Miss Holy verbringen musste. Es waren wieder die Handarbeiten, das Üben von Tanzschritten und die endlosen Ermahnungen, sich gerade zu halten, die Anne zur Weißglut brachten. Im Gegensatz zu Miss Enders, die auf ihren Unwillen mit Zorn und Strafen reagiert hatte, setzte Miss Holy dann eine tieftraurige Miene auf, faltete die Hände, rollte die Augen gen Himmel und flehte den Herrgott und alle Engel an, ihren Schützling zu mäßigen. Anne musste lernen, dass kein Toben, Schreien und Heulen half. Wenn Miss Holy betete, betete sie eine halbe Ewigkeit und hörte erst auf, wenn Anne sich beruhigt hatte und Gehorsam gelobte.
»Siehst du, die Englein haben mich gehört, und jetzt machen wir dort weiter, wo wir vorhin aufgehört haben.« Kostbare Zeit ging auf diese Weise verloren. Zeit, die Anne lieber im Freien mit Zebrony verbrachte, stets in der Hoffnung, Kabelo würde endlich seine Überraschung
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