Koenigin der Meere - Roman
zeige, wie man einen Degen hält.«
»Ich will keinen Degen halten, ich will lernen zu fechten!«
-8-
I hren dreizehnten Geburtstag feierte Anne mit einem großen Fest. Ihr Vater konnte sich kaum sattsehen an seiner Tochter. Die roten Locken waren von goldblonden Strähnen durchzogen, ihre Augen von dichten Wimpern umrahmt, die Brauen von feinem Schwung, ihre Nase klein und zierlich, der Mund vollendet, und wenn sie lachte, blitzten zwei Reihen ebenmäßiger Zähne von reinstem Weiß.
»Was für ein wunderschönes Kind du mir geschenkt hast, und klug ist sie auch noch«, sagte Cormac stolz zu Margaret. Die zuckte zusammen. Der Wohlstand, die Plantage, die Sklaven, das glänzende Silbergeschirr, die Gläser aus Kristall, ihre feinen Kleider, all das hatte auch im Laufe der Zeit ihre Unsicherheit nicht nehmen können. Noch immer befürchtete sie, bei besonderen Anlässen als Gastgeberin zu versagen. Sie fasste sich an die Schläfe. Cormacs Blick kühlte merklich ab, seine Stimme war streng
»Du wirst dich jetzt nicht in dein Zimmer zurückziehen. Es sind ein paar Kinder, die gekommen sind, Annes Geburtstag zu feiern. Nimm dich bitte zusammen.«
Der jugendliche Nachwuchs derer, die in Charleston Rang und Namen hatten, war der Einladung gefolgt, um Anne zu gratulieren. Unter ihnen auch ein Mädchen aus der Nachbarschaft, Lorna Mary Hoover. Anne hatte sie widerwillig und nur auf Drängen ihrer Mutter eingeladen.
»Mr. Hoover ist ein wichtiger Geschäftspartner deines Vaters. Es ist völlig unmöglich, Lorna zu übergehen«, beharrte Margaret Mary Brennan und zwang ihre mürrische Tochter, das Billett zu schreiben.
Auf einem großen, blank polierten Tisch stapelten sich die Geschenke.
Bonbonnieren, Parfümflakons, kostbare Haarspangen, Seidenbänder und feinste Spitzentücher. Anne rümpfte die Nase.
»Phibbah, schau dir den ganzen Kram nur an. Was soll ich damit? Warum schenkt mir niemand eine Gerte und eine Hose, damit ich nicht in diesen lästigen Kleidern und Röcken reiten muss.« Phibbah grinste verschmitzt.
»Miss Anne, wenn alle Gäste das Haus verlassen haben, bringe ich dir noch ein kleines Geschenk, von Kabelo und mir. Aber erst heute Abend, so lange wirst du dich gedulden. Jetzt geh zu deinen Freunden, ich muss in die Küche, Tilly helfen und sehen, dass Jubilo nicht alles durcheinanderbringt.« Phibbahs kleiner Sohn hatte mit seinem Charme längst die Herzen im ganzen Haus erobert. Er hatte das fröhliche Temperament seiner Mutter und verfügte neben einer schnellen Auffassungsgabe vor allem über das Talent, Menschen zu imitieren. Seine Locken waren schwarz und fielen wie flüssige Seide bis auf die Schultern. Margaret verwöhnte ihn nach Kräften. Von jedem Einkauf in der Stadt brachte sie nicht nur Anne, sondern auch Jubilo eine Kleinigkeit mit und schenkte Phibbah bunte Stoffe, aus denen diese Hemden und Hosen für ihren Sohn nähte.
»Madam, so ein feines Material ist doch nichts für ein Kind, er wird darin aussehen wie ein kleiner König«, wandte sie ein.
»Nach allem, was du mir erzählt hast, fließt königliches Blut in seinen Adern, warum sollte er also nicht so aussehen?«, gab Margaret scherzhaft zurück.
»Du weißt, wie sehr ich ihn liebe. Egal, wie schlecht es mir geht, Jubilo bringt mich immer zum Lachen.« Sie gab dem Jungen einen aufmunternden Klaps.
»Jubilo, wie geht’s Mr. Cormac?« Jubilo streckte seine magere Brust vor, spreizte die Beine, zog an einer imaginären Pfeife und setzte sich mit gewichtigen Schritten in Bewegung.
»Und jetzt zeig mir, wie Tilly in der Küche arbeitet.« Margaret kicherte. Jubilo schaute mit starrem Blick nach vorn, blies die Backen auf und wischte sich stöhnend mit dem Handrücken über die Stirn. Margaret lachte hell auf und steckte ihm ein Stück Konfekt in den Mund.
Anne saß in ihrem Zimmer und wartete auf Phibbah, die ihr versprochen
hatte, das Geschenk noch vor dem Zubettgehen zu bringen. Endlich klopfte es leise. Anne eilte auf nackten Füßen zur Tür. Phibbah zog ein kleines Bündel unter ihrer weißen Schürze hervor und überreichte es dem Mädchen. Anne stieß einen entzückten Schrei aus.
»Eine Hose! Und ein Hemd, wie für einen Jungen! Und so weich!« Sie streifte ihr Nachthemd über den Kopf und schlüpfte in die beiden Kleidungsstücke. Sie passten wie angegossen.
»Phibbah!« Anne fiel der Sklavin um den Hals und küsste sie auf beide Wangen. »Wo hast du das her?« Sie drehte sich mit ausgebreiteten Armen im
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