Koenigin der Meere - Roman
ihr gehört. Anne heißt sie, nicht wahr, ist sie nicht mit Jimmy verheiratet?« Molly nickte.
»Wieder ein Herz, das Jimmy gebrochen hat. Aber Anne lässt sich nicht unterkriegen. Sie hat sich in den Kopf gesetzt, bei uns zu bleiben. Sie ist eine Schönheit. Rote Locken bis zum Hintern, ohne Korsett eine Taille, die ein Kerl mit zwei Händen umspannen kann. Und nach allem, was ich zu Gesicht bekommen habe, kleine, feste, weiße Titten.« Molly schnalzte mit der Zunge.
»Aber das ist noch nicht alles. Das Frauenzimmer ist auch noch klug. Sie kann lesen und schreiben, spricht sogar ein bisschen Französisch und ist aus einem erstklassigen Stall. Sie hat mir erzählt, dass sie mit Privatlehrern und Gouvernante aufgewachsen ist. Ich bin sicher, dass sie dir eine Menge Geld bringen würde.« Kupfer-Cissy kratzte sich am Hals.
»Was du erzählst, klingt gut, aber ich habe schon zwei Rothaarige hier. Irinnen, sicher nicht so vornehm wie deine, aber dafür erfahren im Gewerbe. Noch eine kann ich nicht brauchen.« Sie griff nach einem zierlichen Silberstab, der in einer aus Elfenbein geschnitzten Hand endete, kratzte sich den Rücken und schwieg. Plötzlich ging ein Leuchten über ihr Gesicht.
»Wie alt ist deine Wunderpuppe?«
»Sechzehn, vielleicht siebzehn. Jung, aber nicht zu jung.«
Kupfer-Cissy legte den Silberstab zur Seite.
»Diese Wanzen, irgendwann bringen sie mich noch um! Pass auf, Molly, schick mir die Kleine mal vorbei.«
Hinter dem brodelnden Kupferkessel rann Anne der Schweiß die Schläfen herunter.
»Acht Portionen habe ich verkauft, während du weg warst«, verkündete sie stolz, als Molly hereinkam.
»Aussehen tust du, als hättest du dir das Zeug über den Kopf geschüttet.« Die Wirtin grinste, nahm ihr den Löffel ab und berichtete von ihrem Gespräch mit Kupfer-Cissy. Anne wehrte entrüstet ab.
»Ich bin doch keine Hure! Ich kann doch nicht in einem Puff arbeiten!«
»Erstens kann man alles, wenn man will oder muss! Und zweitens, du sollst gar nicht bei ihr arbeiten. Wasch dir dein Gesicht, geh zu Cissy und hör dir an, was sie dir vorschlägt.« Molly war beleidigt, dass ihr Einsatz so wenig gewürdigt wurde.
Kupfer-Cissy bot Anne einen Stuhl an und betrachtete sie von oben bis unten.
»Du bist noch hübscher, als Molly dich beschrieben hat.« Anne lächelte geschmeichelt.
»Leider ist das in deiner Situation nicht gerade von Vorteil«, fuhr Kupfer-Cissy fort. Anne sah sie verständnislos an.
»Bei uns in Nassau gibt es kaum Gesetze, bestenfalls ein paar Regeln, und die werden meistens nicht befolgt. Jimmy hat dich sitzenlassen, und das bedeutet, dass du Freiwild bist. Du bist zwar schnell mit der Pistole, aber du kannst nicht jeden Kerl, der dir an die Wäsche will, erschießen. Du brauchst einen Beschützer, und wenn wir es geschickt anstellen, kann ich dir vielleicht weiterhelfen.«
»Das wäre sehr nett«, sagte Anne zaghaft.
»Mit nett hat das nichts zu tun«, gab Cissy zurück. »Wenn es klappt, wirst du mir von dem, was du bekommst, einen Anteil bezahlen, dass das gleich klar ist.« Anne nickte ergeben.
»Hast du den Namen Charley Balls schon mal gehört?« Anne schüttelte den Kopf.
»Charley ist ein Freund von mir und der reichste Mann in Nassau. Er ist Kaufmann, hat ein großes Haus und kennt sogar den Gouverneur persönlich. Aber vor allem hat Charley eine Vorliebe für junge,
hübsche Rothaarige. Allerdings legt er Wert darauf, dass sie auch noch schlau sind. Molly sagt, dass du lesen und schreiben kannst.« Sie sah Anne fragend an.
»Natürlich kann ich das. Ich habe Privatunterricht gehabt und war sogar bei den Englischen Fräulein.« Zum ersten Mal in ihrem Leben schien es Anne von Vorteil zu sein, dass sie sich von den Krähen hatte quälen lassen müssen. Cissy pfiff anerkennend durch die Zähne.
»So, so, bei den Englischen Fräulein, deinem Kleid nach zu urteilen, wundert mich das nicht.« Anne sah verwirrt an sich herunter.
»Was ist mit meinem Kleid nicht in Ordnung? Es ist ein wenig staubig, aber sonst …« Sie strich verlegen über die Falten ihres Rockes. Cissy lachte.
»Wegen des Staubs mach dir keine Gedanken. Nimm einfach das Brusttuch aus dem Ausschnitt und wisch den Staub damit weg. Charley will sicher lieber sehen, was du unter dem Lappen da verbirgst, auch wenn er aus Spitze und sehr elegant ist. Ich sagte ja schon, er hat so seine Vorlieben.« Mit einem Griff zog sie das Spitzentuch aus Annes Dekolleté und pfiff noch einmal durch die
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