Koenigin der Meere - Roman
wir eine Chance. Die sind seit eh und je bestechlich«, antwortete Rackham und rülpste. Anne stimmte ihm zu.
Mit einem Beutel Achterstücken waren die Kommandanten der beiden Schaluppen schnell überredet, bei der Ankunft ein Auge zuzudrücken, und begleiteten Rackham zum Hafenkommandanten.
»Wir sind gekommen, um Pardon zu bitten und uns in den Dienst Seiner Majestät zu stellen«, log Calico Jack.
»Draußen liegt die Treasure , vollbeladen mit kostbaren Waren. Das Schiff gehört ab sofort der britischen Krone. Vielleicht möchten Sie einen Blick darauf werfen, bevor der Gouverneur seine Hand darauf legt.«
Der Plan ging auf. Der Hafenkommandeur konnte der Versuchung nicht widerstehen und ließ sich zur Treasure bringen. Hier hatte die Besatzung inzwischen die Beiboote zu Wasser gelassen, war an Land gerudert und in den dichten Wäldern der Insel verschwunden. Zuvor hatten die Männer alles genommen, was von Wert und leicht zu transportieren war, um es später zu Geld zu machen.
Während der Hafenkommandant an Bord kletterte, nutzte Rackham einen unbewachten Augenblick, sprang ins Wasser und floh.
Seine Mannschaft erwartete ihn am verabredeten Treffpunkt.
Drei Tage verbargen sie sich in ihrem Versteck, dann gingen fünf Männer in die Spelunken rund um den Hafen und tauschten die Wertsachen gegen Cassavabrot, Zwiebeln und geräuchertes Fleisch. Währenddessen stahlen Rackham und acht seiner Leute drei kleine Fischerboote.
»Männer, wir müssen uns trennen. Wenn wir entkommen wollen, können wir nicht im Konvoi segeln.« Rackham, Anne, Jubilo, der Quartiermeister und sechs weitere Piraten bestiegen eines der Boote und stachen noch in derselben Nacht in See.
Calico und Anne waren übereingekommen, nach New Providence zu fahren, dort wollte Rackham um Pardon bitten. Zunächst verlief
die Reise ohne Zwischenfälle. Auf der Nordseite von Kuba gelang es ihnen, mit einem nächtlichen Überfall ein kleines spanisches Schiff zu kapern. Rackham übernahm das Kommando und gab den Spaniern dafür das Fischerboot.
»Wenn alles nach Plan verläuft, sind wir in ein paar Wochen in Nassau.« Calico war guter Dinge und fest davon überzeugt, dass es gelingen würde, das königliche Pardon von Gouverneur Rogers zu bekommen.
Mitte Mai 1719 gingen sie im Hafen von Nassau vor Anker. Kupfer-Cissy schloss Anne glücklich in die Arme und veranstaltete ein großes Fest. Ihre Mädchen flatterten nur mit einem Hauch von Spitze bekleidet durch die Räume. Unter ihren zarten Kleidern trugen sie an Arm- und Fußgelenken goldene Spangen und Ketten und erfreuten mit ihrem Anblick die etwa dreißig Männer, die Cissy eingeladen hatte. Wer den kostbaren Schmuck auf bloßer Haut sehen wollte, zog sich mit der Dame seiner Wahl in eines der Zimmer im ersten Stock zurück und zahlte willig den von Kupfer-Cissy geforderten Preis: Fünfzig Achterstücke für die Nacht mit einer Weißen, Afrikanerinnen und Mulattinnen boten ihre Dienste bereits ab zwanzig Achterstücken an.
Vier Diener in indischen Gewändern servierten auf silbernen Platten salzige Köstlichkeiten und Konfekt. In den Gläsern perlte Champagner, überall standen Krüge mit Rum und Wein. Rackham saß in Cissys Salon, auf jedem Knie ein Mädchen und trank, was die Krüge hergaben.
»Wenn es wirklich ein Paradies gibt, dann ist es hier in diesem Haus!«, schäkerte er und bemerkte Annes böse Blicke nicht. Cissy nahm sie zur Seite.
»Nimm es ihm nicht übel. Er liebt die Frauen, und die Frauen lieben ihn.« Sie hob fragend die Augenbrauen. Anne zupfte verlegen am Bund ihrer Hose.
»Du hast es gleich gemerkt, nicht wahr?«
Cissy nickte. »Wer Augen im Kopf hat, kann nicht übersehen, wie verliebt du ihn anschaust.«
»Er will den Gouverneur um Pardon bitten und dann hier ein ehrbares
Leben führen, das hat er mir versprochen«, wechselte Anne das Thema. Cissy lachte.
»Jack und ehrbar! Mädchen, schüttel dich, damit die Flausen aus deinem Kopf fliegen! Und die Sache mit dem Pardon könnt ihr gleich vergessen. Rogers hat ihn auf seine Liste gesetzt, ich glaube kaum, dass er Jack laufen lässt. Verkauft, was ihr an Bord habt und verschwindet. Der Gouverneur hat überall Spione.«
Die Tür zum Salon öffnete sich. Mulatto-Molly stand draußen und winkte Anne zu sich.
»Ihr müsst weg! So schnell wie möglich. Jimmy ist unterwegs hierher. Er will euch an Rogers ausliefern!« Anne fühlte eine Hitzewelle aufsteigen.
»Dieser miese, kleine Hundesohn! Ich schäme mich für
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