Koenigin der Meere - Roman
Schiff klauen?« Anne nickte.
Rackham legte die Stirn in Falten, seine Männer hoben die Krüge und prosteten Anne zu.
»So, wie Bonny es sagt, wirds gemacht«, lautete der einstimmige Beschluss.
Die Schiffe im Hafenbecken von Tortuga waren gut bewacht, und Anne musste zugeben, dass ihre Idee nicht so einfach umzusetzen war, wie sie gehofft hatte.
»Alles Hirngespinste, Furzdonnerschlag! Es wird uns nichts anderes übrig bleiben, als Proviant für unser Geld zu kaufen, das Schiff in eine kleine Bucht zu legen. Dann kalfatern wir, bringen die Segel in Ordnung und versuchen, eine anständige Prise zu machen«, überzeugte Rackham seine Männer.
Die Treasure war generalüberholt, hatte Tortuga den Rücken gekehrt und segelte Richtung Floridastraße. Die Meeresstraße zwischen Florida und Kuba war zwischen hundert und zweihundert Kilometer breit und wurde von vielen Handelsschiffen befahren.
»Es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn wir hier kein brauchbares Handelsschiff auftreiben!« Rackhams Zuversicht steckte seine Männer an.
»Segel voraus!«, rief der Ausguck und kündigte damit eine kleine Schaluppe an. Vier Stunden später fuhr die Sarah unter Piratenflagge. Zwei Drittel der Mannschaft hatte sich Rackham angeschlossen.
Die beiden Schiffe befanden sich auf der Höhe von Kuba, als der Ausguck der gekaperten Schaluppe ein Segel sichtete. Es kam direkt auf sie zu. Rackham steuerte eine kleine Bucht an, in der er seine beiden Slups verbarg, bis die gesichtete Galeone ganz nah daran vorbeifuhr. Mit einem flinken Manöver keilte er das Opfer ein und enterte mit seinen Männern. Der Kapitän der Shelter sah die Piratenflagge und bat sofort um Pardon. Rackham, dem der Sinn eigentlich nach einem
zünftigen Gefecht stand, gewährte es widerwillig. Erneut schlossen sich Teile der Mannschaft den Piraten an, die anderen ließ er ziehen. Die Freibeuter durchstöberten das Schiff. Der Laderaum war voll mit frischem Proviant, den Rackham zu gleichen Teilen auf seinen nunmehr drei Schiffen verteilen ließ. Er ging zur Kajüte des Kapitäns und fand sie verschlossen.
»Furzdonnerschlag, hat dieser Sohn einer fischschwänzigen Hure den Schlüssel mitgenommen! Aber das soll ihm nicht helfen!« Mit einem Tritt öffnete er die Tür und blieb wie angewurzelt stehen. In der hintersten Ecke der Kabine klammerten sich zwei Frauen zitternd aneinander. Calico verbeugte sich und steckte sein Messer in den Gürtel.
»Meine Damen! Fürchten Sie sich nicht. Ich habe nicht die Absicht, Ihnen etwas anzutun«, sagte er und tat einen Schritt auf die beiden zu. Sie hoben abwehrend die Hände. Rackham blieb stehen.
»Verstehen Sie mich?« Die Frauen starrten ihn wortlos an. Ihrer Kleidung entnahm Rackham, dass es sich um eine vornehme Dame und ihre Zofe handelte. Er drehte sich um und brüllte in Richtung Deck: »Bonny! Komm runter in die Kajüte!«
»Ach du große Not!«, entfuhr es Anne, als sie die Kabine betrat. »Wieso hat denn der Kapitän die beiden nicht mit ins Beiboot genommen?« Rackham zuckte die Achseln.
»Wie, zum Teufel, soll ich das wissen. Die beiden Weiber sprechen nicht mit mir. Ich habe das Gefühl, sie verstehen mich nicht. Du hast doch Französisch gelernt. Versuch mal dein Glück, vielleicht kriegst du was aus ihnen heraus. Sag ihnen, dass sie keine Angst haben müssen.«
Anne musterte die beiden Frauen. Die Zofe hatte sich schützend vor ihre Herrin gestellt, doch Anne konnte trotzdem sehen, dass die Dame ein Kleid aus feinem Damast und wertvollen Schmuck trug.
»Wir werden Ihnen nichts tun. Verstehen Sie? Sie brauchen sich nicht vor uns zu fürchten«, radebrechte sie auf Französisch. Die Dame schob ihre Zofe zur Seite und trat einen Schritt vor.
»Das hat der Mann neben ihnen auch schon gesagt, aber er sieht nicht gerade aus, als ob man ihm trauen könnte«, sagte sie in fließendem Englisch.
»Furzdonnerschlag! Madam! Ich bin Kapitän Rackham! Und
wenn ich sage, dass Ihnen nichts geschieht, können Sie den süßen, kleinen Arsch Ihres Kammerkätzchens darauf ver wetten, dass ich mein Wort halte. Schließlich bin ich ein Ehrenmann, und bei uns gilt die Regel, junge Frauen und alte Männer behandeln wir gut!« Die Dame sah ihn skeptisch an.
»Mein Name ist Grace Thomson, das hier ist meine Zofe Emma. Wir sind auf dem Weg nach Maracaibo. Mein Mann hat dort eine Ziegenzucht. Er ist sehr wohlhabend. Wenn Sie uns unversehrt zu ihm bringen, wird er Ihnen sicher Lösegeld für uns bezahlen.« Rackham
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