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Königin der Schwerter

Königin der Schwerter

Titel: Königin der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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selbst, aber ihr Gesicht war von einem tiefen Schmerz g e zeichnet, der sie älter wirken ließ.
    Da waren Männer, Schmerzen, Schreie und eine n a menlose Furcht in der Dunkelheit … Für den Bruchteil eines Atemzugs trafen sich ihre Blicke, und Aideen hatte teil an dem Furchtbaren, das der jungen Frau zugestoßen war. Neben den Bildern, die in so rascher Folge auf sie einstürzten, dass sie ke i nen Sinn ergaben, spürte sie das Leid der Frau so nah, als entstamme es ihren eigenen Erinnerungen.
    Überwältigt von der Fülle der Eindrücke, keuchte Aideen auf und schloss die Augen, um sich zu schü t zen. Es war das erste Mal, dass sie auf diese Weise Ei n sicht in einen anderen Menschen erhielt. Sie wusste von Bethia, dass dies Teil ihrer Gabe war. Ein Teil, der lange verborgen gewesen war und sich ihr wie so vieles jetzt neu offenbarte.
    Vermutlich hatte auch Bethia die Bilder gesehen, klarer und deutlicher als die Schemen, die Aideen g e streift hatten, und den Mädchen deshalb erlaubt, sie zu begle i ten.
    »Hákon. Er heißt Hákon«, wiederholte Tisea. O f fenbar war ihr nicht entgangen, wie Aideen den Kri e ger angestarrt hatte.
    »Ist er dein Bruder?« Aideen wollte nicht unhö f lich sein und stellte die erstbeste Frage, die ihr ei n fiel.
    »Nein. Aber er stammt aus meinem Heimatdorf.«
    »Wo liegt das?«, wollte Aideen wissen.
    »In dieser Richtung.« Tisea deutete nach Süden. »Ein paar Tagesritte von hier entfernt im Waldland.«
    … im Waldland. Aideen horchte auf. Der gehei m nisvolle dunkle Saum am Horizont war schon immer Quell ihrer Sehnsüchte gewesen. »Erzähl mir vom Waldland«, bat sie und kam sich vor wie ein Kind, das jemanden um eine Geschichte bittet.
    »Gern.« Obwohl der Mond sich gerade hinter e i ner Wolke verbarg, konnte Aideen sehen, dass Tisea l ä chelte. Dann begann sie zu erzählen …
     
    ***
     
    Am Abend des zweiten Tages, nachdem das Heer die Dronthe überquert hatte, dem Abend nach M e nards Tod, gab Zoltan einen Befehl, der in seinen Augen mehr als alles andere Ausdruck von Feigheit war. Auf einer Lichtung, die ihm groß genug e r schien, ließ er das Heer anhalten und ordnete an, ein befestigtes L a ger zu errichten.
    Zu gern hätte er die Krieger weitermarschieren la s sen, aber die Verluste, die die Rebellen seinen Mä n nern in der kurzen Zeit zugefügt hatten, waren so hoch, dass die Kommandanten einen Aufstand b e fürchteten.
    Die Nacht brach herein. Die Geräusche des Tages verstummten, der Wald legte sich zur Ruhe, und der Mond blickte wie ein wachsames Auge vom Hi m mel auf das Heerlager herab, als hätten die Götter b e schlossen, persönlich über die vielen hundert Krieger zu wachen, die hier versammelt waren.
    Es war die Zeit des Schlafens, die Zeit auszur u hen und Kräfte zu schöpfen für die Mühsal des komme n den Tages. Aber keiner von denen, die sich auf der Lichtung zusammendrängten, wagte es, die Augen zu schließen. Die Furcht saß zu tief.
    Noch am Abend hatten sie begonnen, Bäume zu fä l len und einen Zaun aus Palisaden zu errichten, doch die Dämmerung war rasch vorangeschritten, und sie hatten die Arbeiten abbrechen müssen, ehe auch nur ein Bruchteil der schlichten Befestigung fertiggestellt war. Solange es hell war, hatte es keine Zwischenfälle geg e ben, was einerseits auf das karge Unterholz und die fehlende Deckung, andererseits auf die massive Präsenz der Wachen zurückzuführen sein mochte, die ständig rings um das Lager pa t rouillierten. Jetzt aber war es dunkel, und die Mä n ner befürchteten das Schlimmste.
    Zoltan saß allein in dem Zelt, das man eigens für ihn errichtet hatte, und war für niemanden zu spr e chen. Der stolze Heerführer wirkte müde und alt. Er, der vor seinen Männern stets zuversichtlich und en t schlossen auftrat, haderte mit dem Schicksal und ve r suchte, der Gefühle Herr zu werden, die ihn in der Dunkelheit heimsuchten wie Geister, die sich nicht verscheuchen ließen.
    Zorn, Verzweiflung und Trauer waren es, die ihm den Schlaf raubten und die Luft zum Atmen na h men. Zorn über die Ohnmacht, mit der seine Krieger den tödlichen Angriffen der Rebellen ausgesetzt waren. Verzweiflung, weil er nicht wusste, wie er sie besser schützen konnte, und Trauer, weil er einen Freund und Weggefährten verloren hatte, der ihm immer wie ein Vater gewesen war.
    Schatten umwölkten sein Gesicht. Der Feldzug, den er mit so viel Zuversicht begonnen hatte, schien verloren, noch ehe er überhaupt begonnen hatte, und er

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