Königin der Schwerter
Diskussion so ruhig, als stü n de nicht sein Leben, sondern das eines anderen auf dem Spiel. Er hatte mit dem Leben abgeschlossen. Was machte es schon aus, ob er jetzt starb oder in drei T a gen? Hätte er die Wahl, er hätte einen schne l len Schwertstreich dem qualvollen Tod vorgezogen, der die Rebellen erwartete. So gab er sich teilnahm s los und wartete, wie Tenor entschied.
»Mein Sohn hat recht.«
Zoltan zog erstaunt eine Augenbraue in die Höhe, als er Tendors Worte hörte. Er hatte nicht gewusst, dass sein einstiger Freund einen Sohn hatte. Vermu t lich war er das Ergebnis irgendeiner Wald-Liebschaft, die er in Torpak geheim gehalten hatte. Die Ähnlic h keit war auf den zweiten Blick jedoch unverkennbar.
»Am Vorabend der Schlacht sollten wir nicht leichtfertig mit den Geschenken des Schicksals umg e hen«, erklärte Tendor weiter. »Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Vielleicht kann er uns noch nüt z lich sein. Daher stimme ich dafür, ihn zunächst als Geisel zu behalten und ihn bis auf Weiteres an den Büßerbaum zu ketten. Vier Wachen werden Tag und Nacht dafür sorgen, dass er nicht flieht, aber auch, dass ihm kein Leid geschieht.« Er wandte sich dem Grauhaarigen zu und sagte: »Sollte die Lage es erfo r dern, werden wir erneut über sein Schicksal beraten.«
Verhaltenes Gemurmel erfüllte den Raum. Es war nicht klar zu erkennen, ob es Zustimmung oder Mis s fallen kundtat. Da aber auf Tendors Nachfrage hin niemand Einwände erhob, rief dieser die W a chen, deutete auf Zoltan und sagte: »Führt ihn ab, kettet ihn an den Büßerbaum und stellt ihm vier W a chen zur Seite. Niemand darf ihm näher als fünf Schritte ko m men. Wir brauchen ihn lebend. Sollte jemand es w a gen, ihm ein Leid anzutun, erwartet diesen selbst der Tod.«
***
Nachdem sie den Dashken aufgewartet hatte, wurde es für Zarife Zeit, zu den Hüterinnen zu sprechen. Sie wusste, dass die wenigen Grußworte, die sie am Abend zuvor an die fünfzig Frauen gerichtet hatte, nicht au s reichten, um deren Neugier zu stillen. Bethias Tod, der Tod der Oberin, das Verschwinden Aideens und der beiden Gäste hatten viele Gerüchte aufkommen lassen, die sie im Keim ersticken wollte. Die Hüteri n nen sollten die Wahrheit erfahren – ihre Wahrheit.
Ein listiges Lächeln umspielte Zarifes Mundwi n kel. Schon damals, als sie noch die Herrin des We i ßen Tempels gewesen war, hatte sie sich erfolgreich der Geistesbeeinflussung bedient, einer Fähigkeit, die z u verlässig dafür gesorgt hatte, dass die Lege n den und Geschichten, die sie über sich selbst hatte verbreiten lassen, völlig glaubwürdig klangen. Mit ein paar woh l überlegten Erklärungen würde es ihr ein Leichtes sein, alle Sorgen und Befürchtungen der Hüterinnen zu zerstreuen. Wie Kinder würden sie an ihren Lippen hängen und ihr jedes Wort wide r spruchslos glauben.
In Begleitung von Mel erreichte sie die Höhlen, wo die Hüterinnen sich schon in dem großen Speiseg e wölbe versammelt hatten und auf sie warteten. Als Zarife den Raum betrat, wurde es schlagartig still. Alle Augen waren auf sie gerichtet und begleiteten au f merksam jeden ihrer Schritte.
Zarife ging zu einer kleinen, aus der nackten Fel s wand geschlagenen Empore, von der aus sonst die Oberin zu den Hüterinnen gesprochen hatte. Wä h rend Mel respektvoll zurücktrat, erklomm Zar i fe die Stufen und ließ den Blick schweigend über die ve r sammelten Hüterinnen schweifen.
Was sie in den Blicken der Frauen sah, sagte ihr mehr als alle Worte. Während die Frauen in den vo r deren Reihen sie ehrfürchtig und mit glänzenden A u gen ansahen, erkannte sie eine Spur von Uns i cherheit in den Augen der Frauen dahinter, und jene, die sich ganz hinten zusammengefunden hatten, schauten sie misstrauisch, zum Teil sogar hasserfüllt an. Zarife ließ sich davon nicht aus der Ruhe bri n gen. Am Ende würden ihr alle Frauen gleichermaßen ergeben sein, dessen war sie gewiss.
»Schwestern«, hob sie mit gewinnendem Lächeln an, während sie im Geiste geschickt jene unsichtb a ren Fäden wob, die ihr die Hüterinnen gefügig m a chen würden. »Seit vielen hundert Jahren sehne ich mich danach, wieder unter euch zu weilen. Es war nicht einfach, aber die Kraft, die euer Glaube, euer Hoffen, eure Sehnsucht und eure feste Überzeugung euch g e geben haben, konnte die Grenzen zwischen den We l ten überwinden und mich endlich wieder zu euch fü h ren. Ich bin stolz und glücklich, bei euch zu sein, aber auch
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