Königin der Schwerter
als beabsichtigt. Dabei ha t te Tisea recht, sie brauchten eine Rast. Allein die Furcht vor den Elementarwesen drängte Aideen we i terzureiten.
»Ich habe sie gesehen, falls du dich noch daran eri n nern kannst«, meinte Tisea spitz. »Und ich weiß sehr wohl, wovon ich spreche. Die Schattenwölfe haben uns verfolgt und durch das Hochland gehetzt, bis wir auf euch trafen. Sie sind schnell, unglaublich schnell. Nicht einmal Hákon wäre ihnen auf seinem Braunen en t kommen.« Sie drehte sich zu Aideen um und sagte: »Ich mache mir nichts vor, Aideen. Seit wir aufgebr o chen sind, denke ich darüber nach, was geschehen ist. Glaub mir, ich weiß, was uns erwa r tet, wenn Zarife das freie Geleit für den Rückweg aufhebt. Früher oder später wird unsere Flucht e n den. Es spielt keine Rolle, ob wir dann noch dicht an den Höhlen sind oder nahe dem Waldrand. Die Dashken können sich Zeit lassen. Sie werden uns mühelos einholen, ganz gleich, wie weit wir geritten sind. Der Waldrand mag uns eine gewisse S i cherheit bieten, aber auch jenseits davon wurden die Schattenwölfe schon gesehen. Jetzt, da Zarife zurückg e kehrt ist und ihre Rache vorbereitet, wird auch diese Grenze keinen Bestand mehr haben. Wenn es ihr Wille ist, werden die Wölfe uns aufspüren und töten, wann immer sie es wollen. Jetzt, heute A bend oder in der Nacht. Wir sind nirgends sicher und müssen uns daher auch nicht unnötig quälen. Deshalb rasten wir dort.« Sie deutete nach Westen, wo in einer Mulde zwischen zwei Hügeln die Oberfläche eines kleinen Sees schi m merte. »Silfri muss saufen«, sagte sie bestimmt. »Und wir auch.«
Wenig später saßen sie am Ufer des kleinen Sees und löschten ihren Durst, indem sie das Wasser mit den hohlen Händen schöpften. Zu essen hatten sie nichts. Es war keine Zeit gewesen, etwas einzust e cken, als sie aus den Höhlen geflohen waren. Aideen wollte sich hinsetzen, aber die Schmerzen waren zu groß, und so entschloss sie sich, sich hinzulegen, obwohl das Gras von der Nacht noch feucht war.
»Willst du schlafen?«, erkundigte sich Tisea.
»Nein.« Aideen sah auf. »Und selbst wenn, ich könnte es nicht.«
»Gut.« Tisea setzte sich neben sie. »Ich habe nä m lich Fragen.«
»Dann frag.« Aideen verschränkte die Arme hi n ter dem Kopf.
»Zunächst einmal sollst du wissen, dass ich dir glaube, wenn du sagst, unser Leben sei in Gefahr g e wesen«, begann Tisea. »Aber es gibt so vieles, das ich nicht verstehe.«
»Auch ich verstehe vieles nicht, aber ich will vers u chen, dir zu antworten.«
»Gut.« Tisea nickte ernst. »Dann sag mir, was g e schehen ist, seit Zarife zurückgekommen ist. Peme und ich haben so gut wie gar nichts mitbekommen. Alle waren so aufgeregt, niemand wollte sich mit uns aufhalten. Und dann kamst du mitten in der Nacht und behauptetest, wir seien in Gefahr. All das ist höchst verwirrend, aber ich würde es gern verst e hen.«
»Zarife ist eine Verräterin«, sagte Aideen knapp. »Sie hat Bethia und die Oberin getötet …«
»Das hast du schon in den Höhlen gesagt.« Tisea nickte ernst. »Aber ich kann es immer noch nicht glauben. Sie … sie waren doch so freundlich.«
»Es ist so, wie ich es sage. Zarife hat sie getötet, weil sie ihr im Weg waren.« Sie schaute Tisea an und sah die Bestürzung in ihrer Miene. »Ich wünsc h te, es wäre anders«, sagte sie traurig. »Sie brauchte die beiden für ihre Verschwörungslüge. Deshalb wollte sie euch auch töten und den anderen erzählen, dass ihr Verbündete der Oberin gewesen wäret.« Aideen wunderte sich, wie selbstverständlich ihr die kleine Lüge über die Lippen kam. Etwas in ihr sträubte sich dagegen, Tisea von den gespenstischen Wesen zu erzählen, mit denen sich Zarife verbündet hatte. Sie wusste nicht, warum, spü r te aber, dass es besser war, dies erst mal für sich zu behalten.
»Ich danke dir. Auch in Pemes Namen.« Das L ä cheln, das Tisea ihr schenkte, war aufrichtig. »Wir haben dir unser Leben zu verdanken. Ich hoffe, ich kann es irgendwann einmal gutmachen, wenn … wenn das alles hier vorbei ist.«
***
Am späten Nachmittag brach die Sonne durch die Wolkendecke. Rotgoldenes Licht ergoss sich über das Hochland, entflammte die fernen Bäume in prächt i gen Farben und umriss scharf die dunklen Gestalten der beiden Reiter, die vor dem Hinte r grund des herbstlich gefärbten Hochlandes auf den Wald zuhie l ten.
Manon und Hákon waren erschöpft. Nur mühsam hielten sie sich im Sattel. Ihr
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