Königin der Schwerter
Wasservorrat war ve r braucht, der Proviantbeutel leer. Das Fell des Bra u nen war von flockigem Schweiß bedeckt, die Nü s tern vor Erschöpfung geweitet. Hákon spürte, wie er bei jedem Schritt zitterte, und wusste, dass er nicht mehr lange durchhalten würde. Er hatte noch nie ein Pferd z u schanden geritten und hoffte, das auch diesmal nicht tun zu müssen, aber noch gab er es nicht frei. Bei aller Dankbarkeit, die er dem treuen Tier gegenüber em p fand, war jeder Schritt, den es zurücklegte, zu kostbar, jede Minute, die sie nicht selbst laufen mussten, zu wertvoll, und die Sorge, diese womöglich folgenschw e re Entscheidung zu früh zu treffen, zu groß.
So feuerte er seinen Braunen weiter durch Zurufe an und ließ ihn die Zügel spüren, auch wenn ihn de s sen Not berührte und sein Gewissen dagegen rebellie r te.
»Wie weit ist es noch?«, hörte er Manon fragen, die in verkrampfter Haltung vor ihm auf der Satte l decke saß. Gegen Mittag hatte Hákon den Sattel und alles, was entbehrlich war, im Hochland zurückg e lassen, um es dem Pferd leichter zu machen.
»Wenn wir weiter so schnell vorankommen, scha f fen wir es vor Einbruch der Dunkelheit.« Hákon fo r mulierte die Antwort bewusst vorsichtig. Er hielt die Fremde für verwirrt und wollte nicht, dass sie sich sorgte. Den ganzen Tag lang hatte sie den Himmel nach etwas abgesucht das sie Hu b schrauber nannte, und sich immer wieder umgeschaut ob irgendwo Le u te mit Hunden nach ihr suc h ten. Dazu hatte sie ihm ständig von Orten und Dingen erzählt, deren Namen er noch nie gehört hatte.
Er hatte ihr aufmerksam zugehört und versucht, so zu tun, als wisse er wovon sie sprach, obwohl er kaum etwas verstanden hatte. Klar war für ihn nur, dass sie offenbar nicht allein im Hochland gewesen war. Eine Frau, die sie Sandra nannte und die offe n bar ihre Freundin war, sollte auch dabei gewesen sein.
Hákon spürte, dass Manon sich sehr um sie sor g te. Wann immer das Gespräch auf sie kam, bestärkte er sie in der Hoffnung, dass ihr nichts geschehen war, obwohl er im tiefsten Innern davon überzeugt war, dass sie längst ein Opfer der Schattenwölfe geworden war.
»Ich hoffe, wir finden schnell ein Hotel oder eine Pension«, hörte er Manon sagen, die ihre lebensb e drohliche Lage offenbar immer noch nicht begriffen hatte. »Ich habe einen Bärenhunger und muss dri n gend telefonieren.«
Hotel, Pension, telefonieren … Hákon seufzte. Schon wieder solche Wörter. Was war das nur für eine seltsame Frau? »Ich kann dir nichts verspr e chen«, sagte er ausweichend. »Ich kenne den Wald hier oben im Norden nicht so gut.«
Manon antwortete ihm nicht. Eine Weile starrte sie stumm geradeaus, dann bemerkte er, dass ihre Schu l tern bebten, und hörte sie leise schluchzen.
Auch das noch. Ihre Verzweiflung berührte Hákon. Gern hätte er sie getröstet, fand aber nicht die passe n den Worte. Noch während er überlegte, was er sagen könnte, strauchelte das Pferd. Es ta u melte noch einige Schritte vorwärts, dann brach es zusammen. Hákon und Manon wurden zu Boden geschleudert. Der Au f prall war hart und raubte Hákon den Atem. Die ka h len Zweige niedriger Sträucher schrammten über sein Gesicht, und ein beißender Schmerz schoss von se i nem Handgelenk den Arm hinauf. Eine Weile blieb er benommen liegen.
»Alles in Ordnung?« Manon schniefte noch, hatte sich aber wieder im Griff Taumelnd kam sie auf die Beine.
»Es geht schon.« Hákons Knie schmerzte, und in seinem Handgelenk pochte es. Ansonsten schien er bei dem Sturz keine Verletzungen davongetragen zu h a ben. »Und bei dir?«
»Ich bin o.k.« Manon ordnete die beiden Decken und legte sie sich wieder um die Schultern. »Was nun?«, fragte sie mit einem Blick auf das erschöpfte Pferd.
»Wir laufen.« Hákon stand auf und klopfte sich die Gräser von der Kleidung.
»Was wird aus dem Pferd?«
»Das wird schon wieder.« Hákon war sich dessen nicht so sicher, wie seine Worte sie glauben machen sollten. Aber er hatte jetzt ganz andere Probleme. »Wir können nicht warten, bis es sich erholt hat«, erklärte er. »Wir müssen los. Sofort und so schnell wie mö g lich.« Er sah, wie Manon das Tier bestürzt musterte, und fügte hinzu: »Keine Sorge. Die Scha t tenwölfe werden ihm nichts antun.« Er fasste Manon am Arm und deutete zum Waldrand. »Und jetzt komm, wir dürfen keine Zeit mehr verlieren.« Einen Augenblick noch zögerte Manon, dann gab sie den Widerstand auf und folgte ihm.
Viel zu
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