Königin der Schwerter
Geda n ke, man könne Hákon ein Leid angetan haben. Der Mann schien großen Einfluss zu haben und wusste sicher mehr darüber.
»Deinem Freund geht es gut.«
»Dann ist er nicht tot?« Misstrauen schwang in i h rer Stimme mit.
»Deine Sorge ehrt dich.« Der Mann lächelte. »Auch er war mehr in Sorge um dich als um sich selbst. Aber ich kann dir versichern, dass er am L e ben ist.« Das Lächeln verschwand, und Tendor wu r de ernst. »Wie bist du ihm begegnet?«, fragte er.
Obwohl Manon noch leicht benommen war, war ihr sofort klar, dass der Mann sie verhören wollte. Ä r ger stieg in ihr auf. Hatte sie denn nicht schon genug durchgemacht? Warum gönnte man ihr keine Ruhe? »Wird das ein Verhör?«, fragte sie trotzig.
»Ja.«
»Na klasse.« Manon legte sich hin, schloss die A u gen und schwieg.
»Ich warte.«
»Worauf?«
»Auf Antworten.«
Manon sagte nichts. Minuten verstrichen, in d e nen sie die Augen geschlossen hielt. Dann setzte sie sich ruckartig auf und sagte: »Also schön. Dann höre gut zu. Hákon fand mich dort draußen, als ich von diesen Schattenwölfen angegriffen wurde. Ihm taten sie nichts, und so konnte ich mit seiner Hilfe fli e hen.«
»Das hat er auch gesagt.« Tendor schien zufri e den, fuhr aber sogleich mit seinem Verhör fort. »Ich frage mich nur, wie du unbemerkt so tief ins Hochland h i neingekommen bist.«
»Das frage ich mich auch.« Manon setzte sich b e quemer hin und stützte das Kinn auf die Hände. »Ich war einfach da. Ganz plötzlich. Eben noch war ich mit Sandra in Newgrange, um das Ganggrab zu besicht i gen, da …«
Als hätte die Frage ein Ventil geöffnet, sprudelten die Worte nur so aus ihr hervor. Sie erzählte dem Fremden alles. Von ihrer Reise nach Irland, von dem Affen, von Sandras seltsamem Benehmen im Grab und von dem Tor, das sich mitten in der Wand au f getan hatte. Von ihrer Ankunft im Hochland, dem Streit mit Sandra und der Flucht vor den Wölfen. Allein die magischen Fähigkeiten, die Sandra plötzlich zu besi t zen schien, ließ sie aus. Sie beendete den Bericht mit dem erschöpften Pferd und erklärte in knappen Sä t zen, wie viel sie Hákon zu verdanken hatte.
»So ähnlich hat er es uns auch erzählt.« Tendor schien zufrieden und auch ein wenig erleichtert zu sein. »Wo ist deine Freundin jetzt?«, fragte er.
Manon spürte, dass die Antwort wichtig war. »Ich weiß es nicht«, sagte sie aufrichtig. »Nach dem Streit habe ich sie nicht mehr gesehen.« Ein Schatten husc h te über ihr Gesicht. »Vielleicht wurde sie ein Opfer der Schattenwölfe, vielleicht ist sie erfroren … Vielleicht hat sie aber auch Hilfe gefunden.«
»Du sagtest, sie heißt Sandra?«, erkundigte sich Tendor.
Manon nickte.
»Ganz sicher?«
»Ja, verdammt.« Allmählich wurde Manon w ü tend.
»Du hast nicht zufällig den Namen Zarife schon einmal gehört?«
»Nein«, antwortete Manon gereizt.
»Überlege.«
»Was soll der Quatsch? Ich kenne niemanden, der so heißt, und habe den Namen auch noch nie … Zar i fe? Moment mal.« Manon stutzte … Ich bin nicht Sandra. Ich bin Zarife, die Hohepriesterin von Ben i ze. Das waren Sandras Worte gewesen.
»Nun?« Tendor zog eine Augenbraue in die H ö he. Nur ein Zucken um seine Mundwinkel verriet, wie angespannt er war.
»Sie … sie hat es gesagt«, stammelte Manon ve r wirrt und erschrocken zugleich. »Sie hat den Namen gesagt.«
»Wer?«
»Sandra.« Manon schaute Tendor an. »Sie hat g e sagt: ›Ich bin nicht Sandra. Ich bin Zarife, die H o hepriesterin von Benize.‹«
»Ich wusste es!« Tendor sprang auf, schlug die Faust krachend auf die Tischplatte und stützte sich auf das Holz. »Sie ist da«, freute er sich. »Sie ist gekommen. Jetzt wird alles gut.« Er setzte sich wi e der zu Manon, die Wangen vor Freude gerötet. »E r zähl mir mehr von ihr«, bat er. »Erzähl mir alles, was du weißt.«
»Nein!« Manon spürte, dass ihre Chance geko m men war. Sie war nicht länger die Fremde, der man misstraute, sie war nun eine wichtige Person, die Kenntnis von Dingen hatte, die hier offenbar auf gr o ßes Interesse stießen. Diese Gelegenheit würde sie sich nicht entgehen lassen.
»Nein?« Tendor runzelte die Stirn. »Warum nicht?«
»Weil ich zufällig auch Fragen habe«, sagte M a non spitz. »Und zwar eine ganze Menge. Ich weiß nicht, was hier gespielt wird und was für ein seltsames Völ k chen ihr seid. Vielleicht träume ich das alles auch nur, aber wie auch immer. Ich habe Fragen, und ich ve r lange
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