Königin der Schwerter
zu einem Kraftakt, dem sie sich allein nicht gewac h sen fühlte. Wenn sie sich nicht bis zur völligen Erschö p fung verausgaben wollte, musste sie das Tor instand setzen. Doch das würde ihr ohne Hilfe nicht gelingen.
»Herrin?« Offenbar glaubte Mel, dass die H o hepriesterin sie noch nicht bemerkt hatte. Zarife b e schloss, sie in dem Glauben zu lassen.
»Mel?« Sie wandte sich um und tat überrascht.
»Ich bringe Euch Wasser und einige Speisen, so wie Ihr es gewünscht habt.«
»Ich danke dir. Tritt näher.« Zarife winkte Mel zu sich und wartete, bis diese den Korb abgestellt hatte. Dann sagte sie: »Ich habe noch eine Aufgabe für dich. Das Tor ist bei der missglückten Anrufung fast völlig zerstört worden. Es kann wiederhergestellt werden, aber dazu brauche ich Hilfe.«
»Soll ich Euch …?«
»Du nicht«, fiel Zarife ihr ins Wort. »Geh hinu n ter und frage nach Freiwilligen. Drei Frauen sollten gen ü gen.«
»Vermutlich werden sich dreißig anbieten.« Mel grinste.
»Dann wähle aus, aber wähle gut.« Zarifes Sti m me nahm einen unheilvollen Unterton an. »Stark und gesund müssen sie sein, voller Lebenskraft. Und sie müssen entbehrlich sein, falls …« Sie machte eine b e deutungsvolle Pause. »… etwas schiefgeht.«
»Ich verstehe.«
»Es wäre daher auch nicht verkehrt, wenn sie der Oberin nahe gestanden hätten.« Zarife blickte Mel ernst an. »Nur für den Fall, dass wir den anderen etwas erklären müssen.«
»Macht Euch keine Sorgen. Ich werde die Richt i gen auswählen.«
»Gut. Aber beeil dich. Ich brauche sie noch heute Nachmittag.«
»Sie werden in spätestens einer Stunde hier sein.« Mel deutete eine Verbeugung an und machte sich auf den Weg zu den Höhlen. Zarife sah ihr nach, bis sie hinter den Felsen verschwunden war. Mel war ein Glücksfall. Nur sehr selten gelang es ihr, so e r gebene Diener zu finden. Natürlich konnte sie Me n schen an sich binden, indem sie deren Geist beei n flusste, so wie sie es bei den Hüterinnen getan hatte. Doch das Band war schwach, es konnte zerreißen und sie selbst d a durch in große Gefahr bringen. Mel hingegen diente ihr aus freien Stücken. Sie war die Einzige hier, die nicht von ihr beeinflusst worden war. Sie war ehrgeizig und beseelt von dem Streben nach Macht – Eige n schaften, die Zarife sehr wohl zu schätzen wusste.
Dennoch war Vorsicht geboten. Zarife wusste, dass sie Mels Ehrgeiz im Auge behalten musste, wenn sie nicht eines Tages selbst dessen Opfer we r den wollte.
***
Den Weg bis zum Waldrand legten Aideen, Peme und Tisea ohne Zwischenfälle zurück. Aideen hätte darüber erleichtert sein sollen, aber sie war es nicht. Tisea und Peme waren nicht mehr sie selbst. Sie benahmen sich kaum anders als am Vortag, dennoch konnte Aideen deutlich spüren, dass sie sich verä n dert hatten. Da war etwas Leises, Unsichtbares, das nicht einmal sie selbst zu bemerken schienen, das ihnen aber dennoch anha f tete wie ein Schatten.
Tisea hatte schon ein paar Mal versucht, ein G e spräch mit Aideen zu beginnen, aber die wortkargen Antworten, die sie erhalten hatte, schienen ihr den Spaß an der Unterhaltung wieder genommen zu h a ben. Peme war schweigsam wie immer. Zu Aideens Erstaunen war Tisea mit keinem Wort auf den Vo r fall am See eingegangen. Als sei es für sie nicht ungewöh n lich, dass ihre halbwüchsige stumme Schwester ein ganzes Rudel Schattenwölfe zur U m kehr bewegte, hatte sie Peme beim Aufsitzen geho l fen und den Ritt fortgesetzt. Daraufhin hatte auch Aideen das Ganze mit keinem Wort erwähnt. Dass die beiden sie noch in ihrer Nähe duldeten und ihr auch weiterhin zur Flucht verhalfen, konnte nur b e deuten, dass die seltsamen Geschöpfe, die sich der beiden bemächtigt hatten, kein Aufsehen erregen wollten. Solange sie sich unauffällig verhielt, hatte sie gute Aussichten, den Waldrand l e bend zu erreichen. Sollten die Wesen in ihr eine G e fahr sehen, dessen war Aideen sich sicher, würden sie nicht z ö gern, sie aus dem Weg zu räumen.
Sie war heilfroh, als sich aus dem dunklen Stre i fen am Horizont nach und nach die Umrisse von Bäumen formten. Der Gedanke, vielleicht noch eine weitere Nacht mit den beiden Frauen im Hochland verbri n gen zu müssen, machte ihr Angst, und sie betete da r um, dass sie den Wald vor Sonnenunte r gang erreichen würden. Aber nicht nur sie, auch Tisea und Peme schienen es eilig zu haben. Waren sie nach ihrer Flucht aus den Höhlen zunächst einfach nur nach Süden g e
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