Königin der Schwerter
ritten beschlich Aideen nun mehr und mehr das G e fühl, dass sie auf ein ganz bestimmtes Ziel zuhielten. Aideen wagte nicht, sie zu fragen, wohin sie wollten, aber das war auch nicht nötig, denn es klärte sich schon bald von selbst.
Es dunkelte bereits, als sie sich dem Waldrand bis auf wenige hundert Schritte genähert hatten. Da lö s te sich eine Gruppe von Reitern aus dem herbstlich g e färbten Unterholz und preschte auf sie zu. Aideen hielt den Atem an, als sie die fünf schwer bewaffneten Kri e ger sah, die ihnen entgegengeritten kamen.
Ich bin gerettet, schoss es ihr durch den Kopf G e rettet! Gern hätte sie geweint, doch obwohl ihr die Nase prickelte, blieben ihr die Freudentränen ve r sagt. Dann waren die Männer heran. In einer Linie nebe n einander stehend, versperrten sie ihnen den Weg und zwangen Tisea, Silfri anzuhalten.
»Woher kommt ihr, und was wollt ihr?«, fragte der Reiter in der Mitte.
»Wer seid ihr?«, antwortete Tisea selbstbewusst mit einer Gegenfrage. »Gehört ihr den Rebellen an oder der Garde?«
»Der Garde?« Der Mann lachte schallend. Seine Begleiter stimmten mit ein. »Sehen wir etwa wie Ga r disten aus?«, fragte er und breitete die Arme aus.
»Dann haben wir eine Botschaft für euren Anfü h rer«, erwiderte Tisea ruhig. Es war genau die An t wort, die sie nach ihrer Flucht mit Aideen abgesprochen ha t te.
»Sieh an, sieh an, unseren Anführer wollt ihr also sprechen«, sagte der Mann gedehnt. »Na, das kann ich mir vorstellen. Das wollen nämlich viele, wisst ihr? Aber ich muss euch leider enttäuschen. Tendor ist ein viel beschäftigter Mann, der nicht jeden dahergelauf e nen Flüchtling persönlich begrüßt. Da müsstet ihr schon einen wahrlich triftigen …«
»Wir kommen aus dem Hochland und bringen e i ne Botschaft von Zarife«, fiel Tisea ihm ins Wort. »Ist das wichtig genug?«
»Ihr? Ihr wollt von Zarife geschickt worden sein?« Der Mann lachte wieder, diesmal spöttisch.
»Nicht wir. Sie.« Tisea drehte sich um und deut e te auf Aideen. »Sie ist eine Hüterin.«
Der Rebell schnalzte mit der Zunge und lenkte sein Pferd neben Silfri, um Aideen besser betrachten zu können. »Wie heißt du?«, fragte er.
»Aideen.« Die Nähe des Mannes war Aideen una n genehm. Sie senkte den Blick und sah schüchtern zu Boden.
»Und du bist wirklich eine Hüterin, Aideen?«
»Ja.«
Der Mann bedachte sie mit einem langen, prüfe n den Blick, sagte aber nichts. »Habt ihr Waffen bei euch?«, richtete er das Wort an alle drei. Tisea nic k te und reichte ihm ihr kleines Messer, Peme holte ihre Kanka hervor. Aideen schüttelte den Kopf.
»Das sind keine Waffen, das ist Kinderspielzeug«, urteilte der Rebell geringschätzig und gab Tisea und Peme Dolch und Kanka zurück. »Also gut, kommt mit. Ich werde Tendor von euch beric h ten. Soll er selbst entscheiden, ob er euch anhören will.«
Die Rebellen nahmen Silfri in die Mitte, um T i sea, Peme und Aideen zum Rebellenlager zu begle i ten. Bevor er sich an die Spitze der Gruppe setzte, warf der Anführer der Gruppe Aideen einen kurzen Blick zu. Diesmal fing sie ihn auf und spürte, wie eine eisige Hand nach ihrem Herzen griff.
Grün, dachte sie bestürzt. Seine Augen schi m mern grün.
***
»… und das ist Jolfur, mein bester Freund. Jolfur, das ist Hákon«, stellte Bjarkar die beiden Männer einander vor.
»Ein Waldläufer aus Torpak?« Jolfur, der gerade Holz für die Schmiedefeuer hackte, spie auf den B o den. »Ist das Heer so arm an Männern, dass es jetzt jeden aufnehmen muss?«
»Ein ehemaliger Waldläufer«, korrigierte Hákon freundlich.
»Ja, ja. Das sagen sie alle.« Jolfur spaltete das E i chenstück mit einem einzigen Schlag. »Und dann schneiden sie einem im Schlaf die Kehle durch.«
»Er ist in Ordnung«, sagte Bjarkar. »Tendor ve r traut ihm.«
»Deshalb muss ich es noch lange nicht tun.« Jo l fur legte ein weiteres Holzstück auf den Hackklotz. »Gib auf dich acht, Bjarkar«, mahnte er. »Man kann nie wissen.« Dann schlug er zu.
Bjarkar winkte Hákon, ihm zu folgen. »Nimm es ihm nicht übel«, bat er. »Jolfur hat Schlimmes durc h gemacht.«
»Wie die meisten hier.« Hákon blickte sich au f merksam um. Den halben Tag schon war er mit Bja r kar unterwegs. Der rothaarige Axtkämpfer zei g te ihm das Lager der Rebellen und machte ihn mit verschi e denen Leuten bekannt, die er seine Freunde nannte. Nicht immer mit Erfolg. Der Hass saß bei vielen so tief, dass sie einem Überläufer nicht
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