Königin der Schwerter
über den Weg trauten. Hákon konnte es ihnen nicht verübeln. Inzw i schen war ihm so viel Schreckliches zu Ohren geko m men, dass er sich schon fast dafür schämte, in Kar a deks Diensten gestanden zu haben. Es war erschü t ternd, was manche hatten durchm a chen müssen. Erst jetzt verstand er wirklich, was die Menschen dazu b e wog, sich den Rebellen anz u schließen.
»Komm mit.« Bjarkar tippte ihm auf die Schulter und deutete zum Bach. »Da hinten sind noch ein paar von Jolfurs Männern.«
Die drei, von denen Bjarkar gesprochen hatte, s a ßen in der einsetzenden Dämmerung am Fluss und wuschen Kleidungsstücke im flachen Wasser aus. Als sie die Stimme des Axtkämpfers hörten, drehten sie sich um und blickten ihm entgegen.
Hákon ächzte und blieb wie angewurzelt stehen. Grüne Augen! Alle drei hatten einen grünlichen Schimmer in den Pupillen.
»Was ist los?«, fragte Bjarkar verwundert, der die Veränderung nicht zu bemerken schien.
»Entschuldige, aber ich kann dich nicht dorthin begleiten.« Noch während Hákon das sagte, spürte er, wie albern das für Bjarkar klingen musste. De n noch blieb er dabei. »Gehst du mit mir weiter?«, fragte er, um der peinlichen Lage zu entkommen.
»Wohin?«
»Ich möchte mich gern noch im Lager umsehen.« Plötzlich hatte Hákon es sehr eilig. Über die Erei g nisse des Tages hatte er kaum Zeit gefunden, um über das nachzudenken, was in der Nacht geschehen war. Und wenn, dann war es ihm fast wie ein böser Traum e r schienen. Beim Anblick der drei Männer meldeten sich die Erinnerungen nachdrücklich z u rück – und verlangten nach einer Erklärung. Offe n bar waren die Wachen am Büßerbaum nicht die einzigen Opfer g e wesen. Hákon überlief es eiskalt. Wie viele der Rebe l len mochten befallen sein? Und was hatte das zu b e deuten?
»Aber wir waren doch schon überall.«
»Trotzdem.«
»Na gut.« Bjarkar seufzte. »Und warum?«
»Ich suche nach etwas«, entgegnete Hákon auswe i chend.
»Und wonach?«
»Das erkläre ich dir unterwegs.« Hákon warf e i nen Blick zum Fluss, wo die Männer ihre Arbeit wieder aufgenommen hatten. Dann drehte er sich um und ging zurück ins Lager.
»Grüne Fäden, die sich in die Ohren von Menschen bohren?« Wie nicht anders zu erwarten, glaubte Bja r kar Hákon kein Wort, als dieser ihm in einer abg e schiedenen Ecke des Lagers berichtete, was er in der Nacht beobachtet hatte. »So etwas Verrücktes habe ich ja noch nie gehört.« Bjarkar grinste. »Die Nacht am Büßerbaum scheint dir mehr zugesetzt zu haben, als man annimmt.«
»Es ist wahr, Bjarkar«, beharrte Hákon. »Alles ist genau so geschehen. Nicht nur am Büßerbaum. Im ganzen Lager! Seit wir von Jolfur fortgegangen sind, habe ich vierunddreißig Rebellen gesehen, deren A u gen einen grünen Schimmer zeigen. Das muss einen Grund haben.« Er überlegte kurz, dann sagte er: »E t was geht hier vor, Bjarkar. So verstohlen und unb e merkt, dass es nichts Gutes bedeuten kann.«
»Also gut. Zeig sie mir«, forderte Bjarkar Hákon auf. »Wenn es hier wirklich Rebellen gibt – viele R e bellen –, deren Augen ein grünliches Leuchten zeigen, werden wir beide unverzüglich zu Tendor gehen. Er muss davon erfahren.«
***
Aideen saß auf einem Stuhl in Tendors Arbeitszi m mer und sah sich unbehaglich um. Der große Raum mit der hohen Decke wirkte beängstigend auf sie, und die Geräusche, die von draußen hereindrangen, trugen nicht gerade dazu bei, ihre Furcht zu lindern. Die Hektik ringsum war für sie kaum zu ertragen. Überall waren Menschen, so schrecklich viele Me n schen, auf engstem Raum zusammengepfercht, so schlimm, dass Aideen sich auf ihrem Weg durch das Lager am lieb s ten irgendwohin verkrochen hätte. Hier in diesem Raum war es ruhiger, sicher fühlte sie sich trotzdem nicht.
»Du fühlst dich unwohl, nicht wahr?« Die Sti m me des Rebellenführers, der ihr an dem wuchtigen Hol z tisch gegenübersaß, war sehr tief, aber freun d lich.
»Ja.« Aideen nickte. »Es ist alles so … so fremd.«
»Ist es da, wo du herkommst, nicht so?«, erku n digte sich Tendor.
»Nein.« Aideen schüttelte den Kopf. »Wir waren nur sehr wenige.«
»Umso mutiger ist es, dass du den Weg hierher g e wagt hast«, lobte Tendor. »Um der gemeinsamen S a che willen muss jeder bereit sein, Opfer zu bri n gen.«
»Ein solches Lob gebührt mir nicht.« Aideen scha u te auf und blickte Tendor fest in die Augen. Konnte sie ihm trauen? Oder war auch er schon ein
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