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Königin der Schwerter

Königin der Schwerter

Titel: Königin der Schwerter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Heimat noch nie verlassen, hatte keine einzige Nacht unter freiem Himmel verbracht. In i h rem ganzen Leben war sie nie weiter gereist als bis zur Wassermühle an der Dronthe, wo der Wald endete und Wiesen und Felder sich ausbreiteten. Nur zu gut erinnerte sie sich noch an ihren letzten Besuch im ve r gangenen Herbst, der ihr schmerzlich vor Augen g e führt hatte, wie ängstlich sie im Grunde ihres Herzens war.
    Nahe der Mühle gab es eine Fähre. Sie hatte d a mals gerade einen Sack mit Eckern zur Mühle getr a gen, als der Fährmann an Land gegangen war, um auf Reise n de zu warten. Beim Anblick der warte n den Fähre hatte sie ganz unvermittelt das Fernweh gepackt, und für einen Augenblick hatte sie tatsächlich mit dem G e danken gespielt, den Fluss zu übe r queren. Nicht lange, nur für einen Tag oder zwei. Der Reiz des Abenteuers war jedoch schnell verfl o gen, als ihr bewusst geworden war, dass sie die Nacht dann ohne ein schützendes Blätterdach über dem Kopf würde verbringen müssen – für sie wie für die meisten Waldbewohner ein une r träglicher G e danke.
    An diesem Abend jedoch war es anders. Ulamas Worte hatten etwas in ihr berührt, das sie sich mehr als alles andere wünschte, seit sie der Legende der let z ten Priesterinnen zum ersten Mal gelauscht hatte. Es war wie eine Offenbarung, das Erwachen einer Seh n sucht, die sie immer gespürt hatte, die sie aber nie in Worte hatte fassen können. Nicht die Wiesen und Felder des Südens waren es, nach denen es sie verlan g te. Sie wollte das Hochland sehen. Ulamas Bitte war eine Gelegenheit, die sie nicht ungenutzt verstreichen lassen durfte. Wäre sie frei gewesen in ihrer Entsche i dung, sie hätte sofort zugestimmt. Aber sie war nicht frei …
    »Du fürchtest dich.« Ulama schien ihre Gedanken zu erraten.
    »Ja.«
    »Nun, das ist keine Schande.« Die Alte nickte b e dächtig. »Das Waldvolk ist nicht für die Ebene geb o ren. Nur die Wagemutigsten verlassen das schützende Dach der Bäume, um in die Welt hinau s zuziehen.«
    »So wie Hákon?«
    »Ja, so wie Hákon.« Stolz schwang in Ulamas Stimme mit. »Er ist sehr mutig. Aber das war nicht immer so. Auch er hat sich gefürchtet, als er mit nur zwölf Jahren gezwungen wurde, seinen Dienst in der Garde von Torpak anzutreten.«
    »Warum schickst du nicht ihn?«, wollte Tisea wi s sen.
    Ulama schüttelte den Kopf, und es war, als h u sche ein Schatten über ihr Gesicht. »Die Jahre in Torpak sind nicht spurlos an ihm vorübergegangen«, sagte sie bedauernd. »Er hat sich Karadek zug e wandt.«
    Tisea spürte Ulamas Trauer und schämte sich für ihre törichte Frage. »Habe ich Zeit, es mir zu überl e gen?«, fragte sie schließlich.
    Ulama nickte. »Bis Sonnenaufgang.«
    »Ich danke dir.« Tisea erhob sich. »Ich fühle mich geehrt und würde dir sehr gern helfen. Aber du weißt, dass ich nicht gänzlich frei bin.« Sie verbeu g te sich zum Abschied und schickte sich an, die Hütte zu ve r lassen. »Mögen die guten Geister des Waldes dir einen erholsamen Schlaf schenken.«
    »Ich gebe dir mein Pferd«, sagte Ulama in einem Tonfall, als hätte Tisea sich bereits entschieden.
    Das Gefühl, nicht mehr Herr ihrer eigenen En t scheidungen zu sein jagte Tisea einen Schauder über den Rücken. »Morgen«, sagte sie bestimmt, wandte sich um und ging zur Tür.
    »Ja, morgen«, hörte sie Ulama so leise murmeln, als spräche sie zu sich selbst. »Morgen gebe ich dir mein Pferd.«

7
    »Fertig!« Sandra nahm die Brille ab, fuhr sich mit der Hand müde über die Augen und klickte auf »Senden«. Fast zwei Stunden hatte sie damit zugebracht, alle fa l schen Sätze aus der misslungenen Versteigerungsrepo r tage zu tilgen. Jetzt war sie hu n demüde, aber sicher, einen journalistisch korrekten Text abgeliefert zu h a ben.
    »Das ist alles völlig verrückt.« Sandra fuhr das N o tebook herunter, klappte es zu und schaute zu der A f fenskulptur hinüber, die noch immer auf dem Woh n zimmertisch stand. Ohne Brille konnte sie den Affen nur verschwommen erkennen. Ein unheimlicher A n blick. Was hatte Ivana vorhin noch gesagt? Gehe ni e mals davon aus, dass das Offensichtliche das Wahre ist. »Du weißt es, nicht wahr?«, sagte sie leise zu dem Affen. »Du weißt genau, wie diese ve r rückten Zeilen in meine Reportage gekommen sind.« Sie lehnte sich gähnend in ihrem Stuhl zurück, legte die Füße auf den Tisch und schloss die Augen. In kurzen Bildern rief sie sich die Ereignisse des Tages noch einmal ins G e

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