Königin der Schwerter
dächtnis: das Joggen mit Manon, Ivana mit dem Affen in der Hand … Dann schwei f ten ihre Gedanken ab.
Sie lief durch einen Nebel. Die grauen Schleier wabe r ten so dicht, dass sie kaum etwas erkennen konnte. Wie blind stolperte sie über den von Geröll bedeckten Boden dahin. Sie wusste nicht, wohin sie lief und was sie erwa r tete, sie wusste nur, dass sie weiterlaufen musste. Irgen d wann gelangte sie in einen Tunnel, aber der Nebel folgte ihr wie ein l e bendes Wesen und nahm ihr auch hier die Sicht. Immer wieder stießen ihre Füße gegen Hindernisse. Steine, die am Boden lagen, geschwärztes Holz und – Knochen. Erschaudernd blickte Sandra auf einen bleichen Totenschädel hinab, der, von ihren Füßen angestoßen, gespenstisch lautlos ein Stück weit über den Boden hüpfte. Als er liegen blieb, klappte der Unterkiefer nach unten.
»Komm!« Das Wort hallte durch ihr Bewusstsein, brach sich an den Wänden und stürzte als hunder t faches Echo auf sie ein. Komm! … Komm! … Komm! …
Sie krümmte sich und presste die Hände auf die O h ren, aber die Stimme ließ sich nicht aussperren. Wie ein schauriger Gesang begleitete sie Sandra auf ihrem Weg durch die Höhle. Als sie schon glaubte, wahnsinnig zu werden, blieb der Nebel mit einem Mal hinter ihr z u rück, als sei er irgendwo hängen geblieben. Auch die Stimme war jetzt fort. Nichts deutete daraufhin, welchem Zweck sie diente. So wie die Höhle. Es gab keine Einric h tungsgegenstände oder Dinge des täglichen Gebrauchs, die darauf schließen ließen, dass sie bewohnt war. Einzig b e merkenswert war eine flache Erhebung in der Mitte der Kammer.
Neugierig trat Sandra näher. Unter dem Staub war deutlich eine menschliche Gestalt zu erkennen. Sandra kniete nieder. Vorsichtig streckte sie die Hand aus, um das Gesicht vom Staub zu befreien, da schoss aus dem Boden urplötzlich eine bleiche Hand hervor und u m klammerte ihren Arm. Sandra schrie auf und wollte z u rückweichen, aber die Geisterhand hielt sie fest.
Nie zuvor hatte Sandra solche Panik verspürt, nie so grauenhafte Todesängste ausgestanden. Während sie mit Händen und Füßen verzweifelt nach einem Halt tastete, suchte sie den Boden ringsumher he k tisch nach etwas ab, das sich als Waffe verwenden ließe – vergeblich.
Ihr Blick irrte über die Wände, in die unzählige N i schen geschlagen worden waren. Sie waren nicht leer. In jeder hockte eine tönerne Affenstatue, die sie grinsend a n starrte …
Sandra zuckte zusammen, weil ihre Füße von der Schreibtischplatte rutschten. Keuchend richtete sie sich auf und barg das Gesicht in den Händen.
Welch ein Albtraum. Affen, Skelette und Geiste r hände …
Während sie darauf wartete, dass sich ihr Her z schlag beruhigte, ließ sie den Traum im Geiste noch einmal an sich vorüberziehen. Wenn das so weite r ging, würde sie vermutlich bald ein Fall für den Ps y chiater sein.
Manon hatte ihr geraten, den Affen so schnell wie möglich wieder zu verkaufen oder ihn einfach wegz u werfen. Das war vielleicht doch keine so schlechte I dee. Vielleicht war er wirklich schuld an all den sel t samen Dingen, die ihr in den letzten Stunden wide r fahren waren. Immerhin hatte Ivana behauptet, er hätte eine Aura.
Die Mülltonnen stehen gleich neben der Haustür, überlegte sie. Es sind nur ein paar Stufen hinunter ins Erdgeschoss, dann bin ich ihn los. Der Gedanke war verlockend.
Hundert Euro so einfach in den Mülleimer we r fen?, begehrte es in ihr auf. Das kann ich unmöglich tun. Der Affe ist viel zu wertvoll, um ihn einfach we g zuwerfen.
Er muss weg.
Nein, er bleibt hier.
Aber er ist mir unheimlich.
Er ist völlig harmlos. Ich bilde mir das alles doch nur ein.
Weg mit ihm.
Nein, ich will ihn behalten!
Weg …
Sandra hielt sich die Ohren zu. Unfähig, das Für und Wider gegeneinander abzuwägen, beschloss sie zunächst einmal nichts zu unternehmen und den A f fen irgendwo verschwinden zu lassen, wo sie ihn nicht ständig ansehen musste.
Draußen war es dunkel geworden. Entschlossen schaltete sie die Schreibtischlampe an, setzte die Brille auf und ging zum Wohnzimmertisch. Das Licht der Halogenlampe brach sich am Wandspiegel und ließ die Augen des Affen aufblitzen.
»Also, raus mit der Sprache. Was bist du für e i ner?«, sagte sie, stützte das Kinn auf die Hände und starrte die Skulptur an. Natürlich erwartete sie nicht wirklich eine Antwort. Und dennoch … Irgendwie beschlich sie auch jetzt wieder das Gefühl, dass sich hinter
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