Königin der Schwerter
Anhänger des alten Gla u bens gezielt ins Feuer der Verzweiflung gießen, um noch mehr Menschen gegen Karadek aufzuwi e geln.«
»Und? Ist das verwunderlich?« Menard schaute Zo l tan an. Er wusste, dass seine Äußerung einem Hoc h verrat gleichkam, aber er war alt und fürchtete ni e manden mehr.
»Hüte deine Zunge«, mahnte Zoltan seinen Freund. »Karadek ist nicht wie sein Vater. Er duldet an seiner Seite nur Gefolgsleute, die ihm bedingung s los ergeben sind.«
»Gefolgsleute wie dich?« Ein spöttisches Lächeln umspielte Menards Mundwinkel.
»Wie mich.« Zoltan straffte sich. Als einer der w e nigen konnte er sich rühmen, Karadek zu dienen, seit dieser die Macht in Torpak übernommen hatte. Mit Feingefühl und diplomatischer Gewandtheit war es ihm gelungen, sich das Vertrauen des Regenten auch nach dessen Wandlung zum Tyrannen zu erha l ten. Menard ließ sich davon nicht beeindrucken. Er kannte Zoltan besser als jeder andere in Torpak und wusste, dass er vor ihm offen sprechen konnte. »Vergiss nicht: Wenn die Rebellen siegen, werden sie dich neben ihm aufhängen«, sagte er mahnend.
»Die Rebellen werden nicht siegen.« Zoltan schü t telte den Kopf »Sie sind uns zahlenmäßig weit unterl e gen und haben nichts als Hacken und Scha u feln, um sich zu verteidigen. Diese Narren werden blind vor Hass in ihren Untergang rennen.«
»Sie kennen das Waldland besser als wir«, gab M e nard zu bedenken. »Unsere Garde mag tapfer sein, aber die Krieger haben bisher nur in den Ste p pen des Südens gekämpft. Ich muss dir nicht sagen, dass ein Feldzug im Wald etwas völlig anderes ist.«
»Nein, das musst du mir nicht sagen«, knurrte Zo l tan. Dann hellte sich seine Miene auf, und er fügte geheimnisvoll hinzu: »Aber wenn es stimmt, was du sagst, wird es gar nicht so weit kommen.«
***
Mit unbewegter Miene schaute Ulama Tisea und P e me nach, bis die beiden im Dickicht des Waldes ve r schwanden. Sie versuchte, sich mit dem Geda n ken zu trösten, alles richtig gemacht zu haben. Dennoch pla g ten sie Zweifel. Hatte sie die richtige Wahl getroffen? Würden Mut und Zuversicht allein genügen, das A benteuer zu bestehen? War es klug gewesen, den Mä d chen zu verschweigen, wovon sie Kenntnis hatte?
Manchmal ist es leichter, nicht um die drohenden G e fahren zu wissen, hörte sie ihre innere Stimme sich rechtfertigen. Es ist der Mut, der uns siegen lässt, nicht die Verzagtheit.
Ulama nickte bedächtig. Es wäre gewiss nicht gut gewesen, die beiden schon jetzt mit all dem zu b e lasten, was sie unterwegs erwarten mochte. Übertri e bene Vorsicht konnte zu Verzögerungen führen, und Zeit war ein kostbares Gut. Dass sie zu zweit auf e i nem Pferd ritten, war schon hinderlich genug, denn obwohl der Kaltblüter kräftig und ausdauernd war, würde er dem zusätzlichen Gewicht irgendwann Tr i but zollen und nicht so schnell voranko m men wie mit nur einem Reiter.
Dennoch … Etwas in ihr fand keine Ruhe. Sie ha t te gewusst, dass es irgendwann so weit kommen wü r de. Tisea war kräftig, mutig und ungebunden. Sie war nicht vollkommen, o nein, sie hatte durchaus ihre Schwächen. Die innere Stärke aber, die das Mädchen nach dem Tod der Mutter entwickelt hatte, hatte U lama tief beeindruckt. Ohne zu klagen, hatte sie ertr a gen, was das Schicksal ihr aufbürdete. Die Liebe zu ihrer kleinen Schwester und die Verantwo r tung für ihren seelenkranken Vater hatten sie in wenigen W o chen zu einer starken und entschlossenen Frau hera n reifen lassen, die wie geschaffen dafür schien, den Dolch ins Hochland zu bringen oder ihn an ihrer Statt zu verwahren.
Ursprünglich hatte Ulama geplant, Tisea in di e sem Winter wie eine eigene Tochter in die Gehei m nisse des Geschichtenwebens einzuweihen, damit sie ihren Platz einnehmen konnte, wenn die Zeit g e kommen war. Aber das Schicksal hatte es anders bestimmt.
Ulama seufzte, drehte sich um und ging mit schw e ren Schritten auf die Hütte zu. Mehr denn je fühlte sie die Last der Jahre auf ihren Schultern, und zum ersten Mal in ihrem Leben sehnte sie sich danach, sich en d lich ausruhen zu dürfen. Sie hatte lä n ger gelebt als alle ihre Vorfahren und war ob ihres hohen Alters inzw i schen schon selbst zu einer L e gende geworden. Als Hüterin des Dolches war ihr eine besondere Gnade zuteil geworden, aber auch ihre Lebensspanne war nicht unendlich.
Ulama fröstelte. Wie ein Fuchs, der spürt, dass der Winter naht, fühlte sie, dass es Zeit wurde, sich auf das Ende
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