Königin des Lichts: Drei Romane in einem Band (German Edition)
Lederschlauch Wasser holte.
Sie hat die Augen ihres Vaters, dachte er. Grau wie Holzrauch. Und den weichen, großzügigen Mund ihrer Mutter. Gwynn hatte Recht behalten, wie in so vielen Dingen.
Das Kind war zu einer schönen jungen Frau herangewachsen. Ihre Haut besaß die Farbe hellen Honigs, und ihr Haar war rabenschwarz. Das kräftige Kinn zeugt von einem starken Willen, dachte er, während er sich für das Wasser bedankte, das sie ihm brachte. Eigensinnig. Er hatte nicht gewusst, dass ein Mädchen so dickköpfig sein konnte.
Ein Licht umgab ihre anmutige Gestalt, das hell strahlte, und er wunderte sich darüber, dass nicht jeder bei ihrem
Anblick auf die Knie fiel. Selbst in jagdgrüner Kleidung und Stiefeln war sie eine königliche Erscheinung.
Er hatte getan, was ihm aufgetragen worden war, und sie im Kampf geschult. Sie war mit Schwert, Pfeil und Lanze ebenso gewandt wie mit bloßen Händen. Als Jägerin und Reiterin konnte sie sich mit jedem seiner männlichen Schüler messen. Und sie besaß einen scharfen Verstand, darauf war er besonders stolz.
Nara und Rhiann hatten sie in der Arbeit der Frauen und in Magie unterrichtet. Den Schulunterricht hatte Rohan übernommen. Eifrig hatte sie Lieder und Geschichten ihres Volkes gelernt.
Sie konnte lesen und schreiben, rechnen und zeichnen. Mit ihrer Willenskraft verstand sie es, ein kaltes Feuer wieder zu entzünden, sie wusste, wie man eine Wunde nähte, und sie war ihm – wenn auch erst seit kurzem – im Schwertkampf gewachsen.
Aber wie sollte ein Mädchen, das noch keine zwanzig war, ein Volk in die Schlacht führen und die Welt retten?
Dieser Gedanke quälte ihn, wenn er des Nachts neben Rhiann lag, die er zur Frau genommen hatte. Er hatte geschworen, sie zu beschützen, aber auch, ihr von ihrer hohen Geburt zu erzählen. War das nicht ein Widerspruch in sich?
»Ich habe heute Nacht den Drachen gehört.«
Seine Finger krallten sich in den Wasserschlauch. »Was?«
»Ich hörte sein Brüllen, in einem Traum, der kein Traum war. Es war der rotgoldene Drache, der am Nachthimmel fliegt, und er hielt eine Sternenkrone in den Klauen. Mein Wolf war bei mir.« Sie wandte den Kopf und lächelte
Gwayne an. »Er scheint immer bei mir zu sein. So schön und stark ist er mit seinen traurigen Augen, die so grün sind wie das Gras der Hügel.«
Allein der Gedanke an den Mann, den sie »mein Wolf« nannte, wärmte ihr das Blut in den Adern. »Wir lagen auf dem Waldboden und sahen zum Himmel hinauf, als der Drache mit seiner Krone erschien. Es war aufregend, ich hatte Angst, aber gleichzeitig erfüllte mich eine ehrfürchtige Freude. Als ich im Sturm die Hand nach ihm ausstreckte, wurde der Himmel heller als der lichte Tag, greller als das Feuer der Elfen. Ich stand in dieser gleißenden Helligkeit neben meinem Wolf, und zu meinen Füßen sah ich Blut.«
Sie hatte sich auf den Boden gesetzt und den Rücken an den Baumstumpf gelehnt. Mit einer beiläufigen Geste warf sie ihren langen, dicken Zopf über ihre Schulter zurück. »Ich weiß nicht, was es bedeutet, aber ich frage mich, ob ich für den Einen kämpfen werde, wenn seine Zeit naht. Ich frage mich, ob ich endlich den Krieger, der mein Wolf ist, finden und an seiner Seite mein Schwert für den wahren König erheben werde.«
Seit sie sprechen konnte, redete sie von diesem Wolf, von dem Jungen, der nun zu einem Mann herangewachsen war, und den sie liebte. Aber den Drachen hatte sie noch nie erwähnt.
»Ist das der ganze Traum?«
»Nein.« Vertrauensvoll legte sie sich mit dem Kopf an sein Knie. »In dem Traum, der kein Traum war, sah ich eine edle Frau. Eine schöne Frau mit grünen Augen und dunklem Haar in den Kleidern einer Königin. Sie weinte, und ich fragte sie, warum. Ich weine um die Welt, die wartet, sagte sie. Sie wartet auf den Einen, gab ich zurück. Warum
kommt er nicht? Wann wird er Lorcan zerschmettern und Twylia Frieden bringen?«
Gwayne blickte in den Wald hinein und strich ihr sanft über das Haar. »Was hat sie darauf geantwortet?«
»Mitternacht ist die Stunde, in der Geburt wie im Tod, sagte sie. Dann streckte sie die Hände aus, und ich sah eine Kugel, so hell wie der Mond, und einen Stern, so klar wie das Wasser, darin liegen. Nimm sie, sagte sie. Du wirst sie brauchen. Dann war sie fort.«
Sie rieb ihre Wange an seinem Knie, als die Traurigkeit, die sie gefühlt hatte, sie erneut überkam. »Sie war fort, Gwayne, und das Herz tat mir weh. Neben mir stand mein Wolf mit den grünen
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