Königin für eine Nacht?
angehaltenem Atem beobachtete Nikos, dass Kitty ihre Hände in stummer Verzweiflung im Schoß des bodenlangen blauen Satinkleides rang, das die weiblichen Mitglieder des Königshauses traditionell zu Anlässen wie dem heutigen Feiertag trugen. Der steife Stoff und altertümliche Schnitt der Staatsrobe verbargen zwar die weichen Konturen der Prinzessin und zwangen sie zu einer geraden, aufrechten Haltung, doch Nikos musste seine Fantasie nicht einmal anstrengen, um darunter Kittys herausfordernd weibliche Kurven zu erahnen, die ihn jede Nacht bis in seine wilden Träume verfolgten.
Nur mit Mühe konnte er sich davon abhalten, die Nadeln aus ihrer kunstvollen Hochsteckfrisur zu ziehen, um ihr wundervolles Haar in dicken dunklen Locken über den Rücken herabfallen zu sehen, wie in jener magischen Nacht. Als sie den Blick zu ihm hob, konnte er zum ersten Mal die ganze Schönheit ihrer sanften kaffeebraunen Augen bewundern, die von unwahrscheinlich langen, dichten Wimpern umrahmt waren.
„Was ist mit deiner Brille?“, fragte er spontan. „Oder war die auch nur Teil deiner Kostümierung?“
„Ich trage heute Kontaktlinsen“, erwiderte Kitty ungnädig. „Und ich habe dir bereits mehrfach erklärt, dass ich dich nicht vorsätzlich täuschen wollte. Es … es ist einfach so passiert.“ Vor ihrem inneren Auge erstand plötzlich das Bild ihrer Mutter, und Kitty konnte sich nur zu gut ihren Schock über die Verfehlungen ihrer jüngsten Tochter ausmalen. Königin Tia würde sich eine Heirat zwischen ihr und Nikos wünschen, daran gab es keinen Zweifel.
Doch wie sollte sie selbst damit leben können, einen Mann zu ehelichen, der ihr erklärt hatte, dass er nicht an die wahre Liebe glaube?
„Mach jetzt keinen Fehler, Kitty“, sagte Nikos ruhig, während er ihr lebhaftes Mienenspiel beobachtete. „Wenn du dir einbilden solltest, ich würde einfach so aus deinem Leben verschwinden und zulassen, dass du mir mein Kind vorenthältst, sei gewarnt. Ich würde gerichtlich bis zur letzten Instanz gehen, um das Sorgerecht zu erhalten. Selbst auf die Gefahr hin, dadurch meine Freundschaft mit Sebastian zu zerstören und jedes einzelne Mitglied deiner Familie vor den Gerichtshof zu zitieren. Und wie eure so hoch geschätzte Monarchie diesen Skandal verkraften würde, kannst du dir wohl selbst ausmalen.“
Kitty schauderte. Kein Zweifel, dass Nikos Angelaki es ernst meinte. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte sie diese stählerne Härte hinter seiner charmanten Fassade erahnt und war davon sogar fasziniert gewesen. Sie hatte ihn heimlich ihren Piraten genannt, erkannte aber erst jetzt, dass sie auf jeden Fall verlieren würde, sollte sie es je wagen, die Klingen mit ihm zu kreuzen.
„Ich bin fest entschlossen, mein Kind bei mir in Griechenland aufwachsen zu sehen. Es liegt an dir, ob du in seinem Leben eine aktive Rolle spielen willst oder nicht“, hielt er ihr mit unmissverständlicher Härte entgegen.
Kitty schnappte vor Empörung nach Luft. „Was soll das heißen, ob ich eine aktive Rolle in seinem Leben spielen will ?“, zischte sie ihn an. „Du redest von meinem Baby !Und du kannst kaum von mir erwarten, dass ich deinetwegen meine geliebte Heimat verlasse!“
In der Nacht des Balles, nach ihrem erotischen Intermezzo am Strand, war ihr der Palast noch wie ein muffiges Gefängnis erschienen, dem sie unbedingt entfliehen wollte, ebenso wie den rigiden königlichen Bräuchen und Verpflichtungen. Jetzt erschien er ihr als sicherer Hort vor der feindlichen Realität, und deshalb versuchte Kitty sich einzureden, alles solle bleiben, wie es bisher gewesen war.
Doch das war reine Utopie. Ihr Leben würde sich in nächster Zukunft verändern, ob es ihr gefiel oder nicht. Sie war schwanger, und tief in ihrem Herzen wusste sie, dass es für sie als ledige Mutter unmöglich war, ihr Kind im Palast großzuziehen. Aber vielleicht zusammen mit Nikos …?
„Warum können wir nicht hier im Palast wohnen, wenn wir tatsächlich heiraten sollten?“, fragte sie spröde.
„Weil meine Firma in Athen ist und ich dort gebraucht werde“, erwiderte er kühl. „Und als meine Frau wirst du natürlich bei mir leben, was nicht heißt, dass wir zu Aristo und deiner Familie keine enge Bindung aufrechterhalten können. Aber unser Kind, egal ob Junge oder Mädchen, wird in Griechenland aufwachsen und erzogen werden. Ich habe das bereits mit Sebastian diskutiert, und er ist absolut meiner Ansicht.“
Kitty spürte erneut kalte Schauer
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