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Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)

Titel: Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter S. Thompson
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dreißig Tagen wieder rauskam, war, dass sie mich über meinen achtzehnten Geburtstag hinaus nicht mehr einsperren durften: Ich konnte Kaution stellen. Sie versuchten aber auch gar nicht, mich festzuhalten; sie hatten ihr Exempel statuiert. Ihre letzte Chance. Die Kaution und eine Gruppe mächtiger Bürger und politischer Repräsentanten hatten dafür gesorgt, dass ich rauskam. Aber im Gefängnis war ich ein Held – man beschloss, mich »The President« zu nennen, und »Raus aus’m Bau« hieß es an meinem Geburtstag. »Junge, nichts wie raus aus’m Bau!« Mein Fall wurde zum Thema, und eine Zeit lang war ich ein richtiger Held.
     
     
    Viele wilde und verzweifelte Jahre haben seit meiner ersten und einzigen Erfahrung als amtlich anerkanntes Justizopfer mein Leben durcheinander gewirbelt. Die Lektion, die mir jene dreißig Tage im Gefängnis erteilt haben, lautete: Da gehst du nie wieder rein. Punktum. Ich sah da keine Notwendigkeit. Meine Gefängnisgenossen hatten mich »The President« genannt, und jeden Donnerstagnachmittag waren hübsche Mädchen zu Besuch gekommen, aber ich hatte genügend Verstand, um darauf nicht stolz zu sein.
    Der tote Pablo Escobar, ehemals Kopf des mächtigen Kokainkartells
von Medellín, hat einmal bemerkt, dass »der Unterschied zwischen dem Leben eines Kriminellen und dem eines Gesetzlosen darin besteht, dass der Gesetzlose eine Gefolgschaft hat«. Das traf in seinem Fall eine Zeit lang zu, weil er willens war, seine riesigen Profite mit den Armen in seiner Stadt zu teilen. Er war einer von ihnen, ein Homeboy, ein spendabler Freund des Volkes. Es hieß, sein einziges wirkliches Verbrechen bestünde darin, dass die von seinem Unternehmen produzierten Waren vom Polizei- und Militärestablishment der Vereinigten Staaten als gefährliche Bedrohung angesehen wurden, ebenso wie von einigen anderen Ländern, von denen man ja wisse, dass sie sich den ökonomischen Interessen der USA als Sklaven und Speichellecker andienten.
    Als ich aus dem Gefängnis entlassen wurde, trat ich umgehend einen Sommerjob bei Almond Cook an, dem Chevrolet-Händler in der Stadt. Ich weiß nicht recht, welche Pläne ich für den Herbst hatte – vielleicht eine Reise nach England. Ich wusste es noch nicht, aber etwas Konventionelles schwebte mir ganz und gar nicht vor. Mr. Cook war der Vater einer meiner langjährigen Freundinnen, und mir wurde ein nagelneuer Chevrolet Truck anvertraut, mit dem ich Ersatzteile im Stadtgebiet ausliefern sollte. Es war ein klasse Job – ich brauchte nur die Sachen in der ganzen Stadt zu verteilen, war ständig auf Achse, und in meinem nagelneuen Mörder-V8-Truck war ich sozusagen die große Vierradversion der New Yorker Fahrradkuriere.
    Ich kam immer besser mit dem Truck zurecht. Ich war unentwegt auf Tour, und es war einfach toll – als hätte man mir eine Rakete anvertraut. Ich hatte nicht die geringsten Schwierigkeiten, und mit der Zeit wurde ich ein so guter Fahrer, dass etwas passieren musste … es lief einfach zu gut. Eines Samstagmorgens  – bei strahlendem Sonnenschein – fuhr ich mit ziemlicher Geschwindigkeit eine Seitengasse hinter dem Autoreparaturzentrum an der Second Street hinunter. Ich war diese Gasse schon oft entlanggefahren, und außerdem hätte ich inzwischen
den riesigen V8-Chevy-Pick-up durch einen brennenden Reifen lenken können, ohne ihn anzusengen – und das mit hundert oder hundertzwanzig Stundenkilometern.
    Ich weiß noch genau, wie ich da runterbretterte. Es war sehr hell, und ich konnte die Backsteinmauern zu beiden Seiten gut erkennen. Da stand ein großer Lieferwagen, ungefähr anderthalb Tonnen, so ähnlich wie einer von diesen Ryder- Mietlastern, nur nicht gelb, sondern blau oder grün, mit einer Ladeklappe aus Stahl. Sie ragte hinten ein Stück heraus, und hätte der Laster parallel geparkt, wäre mir genügend Platz geblieben, um an ihm vorbeizukommen. Ungefähr zehn Zentimeter hätte ich gehabt. Aber statt parallel zur Hausmauer zu stehen, hatte er etwas schräg geparkt, und ich weiß noch, dass ich dachte: Scheiße, das schaff ich . Aber ich wusste, dass es haarig würde.
    Ich stieg also so heftig aufs Gas, dass ich mit ungefähr hundert durch die Gasse preschte – so schnell, dass ich den Schlag kaum spürte. Eher eine Art metallisches Knirschen als ein Krachen …
    Ich wusste sofort, dass ich nicht heil durchgekommen war, und hielt an. Zwei Zentimeter mehr Platz, vielleicht auch fünf, und ich hätte es geschafft … Aber

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