Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
paar Biere und ist schon sauer, dass nur Light Bier angeboten wird und kein richtiges. Und dann erkundigt er sich nach dem, was er wirklich will: Er denkt, dass es dort vielleicht etwas mit annehmbarem Alkoholgehalt geben könnte, klar, also haben die vielleicht Gin ? Er fragt den Koreaner: »Gibt’s denn bei dir keinen Gin, Sportsfreund? Kumpel?« Und der Typ sagt: »Gin? Möchten Sie vielleicht, dass ich die Polizei rufe? Wo denken Sie hin? Natürlich habe ich keinen Gin. Was wollen Sie noch? Raus mit Ihnen.«
Curtis, der – wie der Zufall es will – gerade vor zwei Wochen vom örtlichen Sheriff den Erlaubnisschein bekommen hat, eine nicht sichtbare Waffe zu tragen, schleppt eine 10-Millimeter-Glock rum, eine schwere Handfeuerwaffe. Sie sieht genauso aus wie die 9-Millimeter, ist aber ein heißeres Teil, hat mehr Wumm, lässt sich mit fetteren Kugeln laden und kann ganz schön was wegpusten. Seit einer Weile hat er sich an die Knarre gewöhnt. Kann sein, dass er sie gezogen und einem Araber unter die Nase
gehalten hat, der in einer Tiefgarage ein bisschen zu lange auf sein Auto geschielt hat. Als er sie zog, ist der Kerl abgehauen, und daher hat er volles Vertrauen in seine 10-Millimeter. Der koreanische Mann hinter dem Ladentisch kommt ihm plötzlich äußerst unverschämt vor, und seine Gedanken schweifen zu seiner Schwester …
Du hattest irgendwann mal an Curtis weitergegeben, was dein Vater dir in einem wissbegierigen Augenblick erläuterte: Du hattest gefragt: »Was ist der Unterschied zwischen einem Koreaner, einem Japaner und einem Chinesen?« Das war während des Koreakrieges, und du fragtest dich, warum die Koreaner überhaupt kämpften – du wusstest nicht, wer sie waren und welche Unterschiede es da gab. Dein Vater sagte also: »Mein Sohn, lass es mich so formulieren: Die Japaner sind außen sauber und innen schmutzig, und die Chinesen sind außen schmutzig und innen sauber. Aber, Junge, leider muss ich dir verraten – die Koreaner, die sind innen so dreckig wie außen .« Du hast mit Curtis darüber gesprochen – und dabei schwillt ihm sofort der Kamm –, daher kannst du dich hineinversetzen in das, was passiert, wenn Curtis reinkommt und von einem offenbar mächtig aufgeputschten und hysterischen Koreaner dumm angemacht wird … Obendrein weist der Typ auch noch seine Kreditkarte zurück, sagt, der Magnetstreifen muss beschädigt sein. Ihr wisst schon: Das Scheißding ist im Eimer . Was willst du denn damit? Also kann Curtis das Bier nicht kriegen.
Ihr wisst, wie Curtis ist, wenn er sich hitzköpfig in einen Wutanfall hineinsteigert, sodass er plötzlich vom Parterre in den siebten Stock raufzischt, du aber noch unterwegs in die erste Etage bist und dabei ganz vergisst – während du weiter mit ihm sprichst –, dass er sich bereits in die siebte Etage hochgeschraubt hat … Curtis denkt gar nicht an das Geld, das du ihm gegeben hast, sondern sagt sich nur: Scheißdreck . Er denkt gar nicht mehr. Der Typ hat einen wunden Punkt bei ihm getroffen, der meistens unberührt bleibt – und in seiner Gereiztheit wird er jetzt richtig
sauer. Nehmen wir an, der Typ macht ihn jetzt noch an: »Und was jetzt, Dicker?« (Ich hab das mal mit einem Cop erlebt, und zwar in Mobile: »Gehen Sie zurück und setzen Sie sich, alter Mann.« Da war ich gerade erst vierzig Jahre.) Aber zurück zu Curtis: Seine Gedanken sind bei diesem froschäugigen Koreaner, der seine Schwester schlug, der sie regelmäßig verprügelte, der ihr schönes Leben ruinierte, in das Curtis einmal krankhaft verliebt und einbezogen war, und an diesem Samstagnachmittag in der Sonne brennen seine sämtlichen Nervenenden wie Zündschnüre, bis er – PÄNG! – explodiert – wie wir alle von Zeit zu Zeit mal völlig die Kontrolle verlieren –, und jetzt agiert nur noch sein Muskelgedächtnis, er hat das oft genug gemacht, er kennt diesen Tanz, und er reißt die Glock aus dem Gürtel. Er richtet sie auf den Kerl; und dann hat er den Eindruck, dass sich hinten im Laden etwas Bedrohliches zusammenbraut. Jemand anders – ein extrem großer Kerl, vielleicht der Bruder oder auch der Cousin von dem Typ, taucht da hinten auf und der Typ sagt: »Komm her und hilf mir diesen Mistkerl alle machen, diesen fetten Mistkerl.«
Curtis ahnt plötzlich zwei oder drei weitere Angreifer, vielleicht auch nur einen, ein Kumpel von dem Koreaner irgendwo im Gang zwischen den Regalen, Bewegungen hinter sich – er fühlt sich von mehr Leuten
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