Königreich der Angst: Aus dem Leben des letzten amerikanischen Rebellen (German Edition)
publik zu machen, das 1970 genau zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt kam, um uns zu einem schweren Klotz am Bein zu werden. Als die Ausgabe des Rolling Stone vom 1. Oktober 1970 am Ort in den Handel kam, erwies sich das als Katastrophe ersten Ranges, und zwar aus diversen Gründen: 1. ängstigte der Artikel unsere Opposition schier zu Tode, 2. gelangte die Ausgabe ungefähr eine Woche zu spät hierher, um noch Auswirkungen auf unsere ungemein wichtige Motivationskampagne zu haben, mit der wir erreichen wollten, dass sich möglichst viele Freaks offiziell als Wähler registrieren ließen; und 3. stand in der Story unsere Wahlkampfstrategie derart detailliert beschrieben, dass der Feind in die Lage versetzt wurde, sie höllisch effektiv und bis zum bitteren Ende gegen uns zu verwenden.
Außer anderen schädlichen Enthüllungen zeigte der Artikel mit akribischer Logik auf, dass wir 1970 unmöglich gewinnen konnten, es sei denn die Demokraten und die Republikaner würden tatsächlich das »Establishment-Votum« splitten, wie sie es im Jahr zuvor auch getan hatten. Hier folgt ein wortgetreuer Auszug aus »Die Schlacht um Aspen« ( Rolling Stone # 67, 1. Oktober 1970) Ref 2 :
Als Resultat der Wahlkampagne von Joe Edwards stellt sich die politische Situation in Aspen als so unberechenbar dar, dass jeder beliebige Kandidat der Freak Power ein potenzieller Gewinner ist.
Was meinen Fall betrifft, müsste ich mich kräftig ins Zeug legen – und während meiner Wahlkampagne so manche wahrlich widerwärtige Absichtserklärung ausspeien –, um als einer von drei Kandidaten weniger als dreißig Prozent der Wählerstimmen zu bekommen. Und ein Untergrundkandidat, der wirklich gewinnen wollte, könnte von Anfang an auf einen Grundstock von ungefähr vierzig Prozent der Wählerschaft zählen – wobei seine Gewinnchancen fast ausschließlich davon abhängen, als wie stark sich das Potenzial der Gegenreaktion erweist: oder, anders gesagt, wie viel Angst und Schrecken seine Kandidatur konkret unter den konservativen Städtern auslöst, die ihre einheimischen Kandidaten schon seit so langer Zeit fest unter Kontrolle haben.
Mit Sandy in Aspen (Bob Krueger)
Als schließlich deutlich wurde, dass die Kandidatenliste der Freak Power nicht weniger als vierzig Prozent der Wählerstimmen auf sich vereinen würde, waren wir keineswegs überrascht, als das lokale Expertengremium der Grand Old Party sich in aller Eile dazu aufrappelte, in letzter Minute einen Notfallkompromiss mit den »Erzfeinden« von der anderen Partei zu schließen. In Aspen glich der Unterschied zwischen den beiden dem zwischen Nixon und LBJ auf nationaler Ebene: Abgesehen von persönlichen Charaktereigenschaften und Zänkereien um Sponsoren gab es absolut keinen Unterschied in der Beurteilung der Grundfragen.
Ungefähr auf halber Strecke des Wahlkampfs kamen jedoch beide Parteien darauf, dass sie dem Wahlvolk eine lokale Version der »Theorie vom größeren zu befürchtenden Übel«, die von den Black Panthers stammte, verhökern mussten. So sehr sie einander auch verabscheuen mochten, die Freak Power hassten sie noch mehr – und sie kamen daher überein, dass diesem Gegner um jeden Preis Einhalt geboten werden musste.
Die unheilige Allianz, die sie weniger als achtundvierzig Stunden vor der Wahl schmiedeten, bestand darin, dass jede Partei
einen ihrer Spitzenkandidaten (im Rennen um den Sheriffposten und den des County Commissioners) opferte, um auf diese Weise das Votum nicht zu splitten. Damit war die massive und von beiden Parteien getragene Unterstützung beider Amtsinhaber sichergestellt: Sheriff Carrol Whitmire, ein Demokrat, und Commissioner J. Sterling Baxter.
Der Kuhhandel wurde durch eine Art Kettenbrief-Telefonkampagne am Vorabend der Wahl bewerkstelligt, einer so hektischen Verzweiflungstat, dass ein Republikaner an jenem Abend achtzehn Anrufe bekam, in denen ihm mitgeteilt wurde, dass die Schlussdevise aus dem Hauptquartier lautete: »Wahlstimmen splitten; wir lassen (GOP-Kandidat fürs Sheriffsamt) Ricks fallen, und die Demokraten sägen Caudhill ab.«
Wir lernten in Aspen, dass man tunlichst den Sieg davontragen sollte, wenn man »innerhalb des Systems arbeitet«, denn das »System« besitzt einen immanenten Mechanismus, mit dem es durchgefallene Herausforderer einfach wegradieren kann.
Wenn das Expertengremium der Freak Power durch jene Wahl etwas Ernstzunehmendes gelernt hat, dann das Eine: »Innerhalb des Systems arbeiten« ist
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